Neue psychoaktive Substanzen – die aktuelle Situation in Europa (Europäischer Drogenbericht 2025)

Cover of the European Drug Report 2025: New psychoactive substances

Der Markt für neue psychoaktive Substanzen zeichnet sich durch eine große Zahl neu auf den Markt kommender Substanzen aus, wobei jedes Jahr neue Verbindungen entdeckt werden. Auf dieser Seite finden Sie einen Überblick über die Drogensituation in Bezug auf neue psychoaktive Substanzen in Europa, ergänzt durch Informationen aus dem EU-Frühwarnsystem über Sicherstellungen und erstmals in Europa entdeckte Substanzen. Zu den erfassten neuen Substanzen gehören synthetische und halbsynthetische Cannabinoide, synthetische Cathinone, neue synthetische Opioide und Nitazene. 

Diese Seite ist Teil des Europäischen Drogenberichts 2025, des jährlichen Überblicks der EUDA über die Drogensituation in Europa.

Letzte Aktualisierung: 5. Juni 2025

Beispiellose Mengen, neue hochwirksame Substanzen und versehentlicher Konsum geben Anlass zur Sorge

Der Markt für neue psychoaktive Substanzen zeichnet sich durch eine große Zahl neu auf den Markt kommender Substanzen aus, wobei jedes Jahr neue Verbindungen entdeckt werden. Der Begriff „neue psychoaktive Substanzen“ umfasst ein breites Spektrum von Arten von Substanzen, die nicht durch internationale Drogenkontrollabkommen kontrolliert werden, auch wenn einige von ihnen nationalen Regulierungsmaßnahmen unterliegen können. Im zweiten Jahr in Folge meldeten die Strafverfolgungsbehörden der EU-Mitgliedstaaten eine Rekordmenge an eingeführten oder sichergestellten neuen psychoaktiven Substanzen an das EU-Frühwarnsystem (41,4 Tonnen).

Die jüngsten Daten zeigen, dass Drogenhersteller weiterhin neue Substanzen entwickeln, um die gesetzlichen Kontrollen zu umgehen; im Jahr 2024 wurden 47 neue psychoaktive Substanzen erstmals gemeldet. Dies entspricht in etwa der jährlichen Zahl, die zwischen 2016 und 2022 typischerweise gemeldet wurde. Darüber hinaus wurden im Jahr 2023 rund 350 zuvor gemeldete neue Stoffe auf dem Markt entdeckt, wenn auch in der Regel in geringen Mengen.

Im Allgemeinen herrscht in Bezug auf die Gesundheitsrisiken dieser neuartigen Verbindungen ein unzureichendes Verständnis, wenngleich einige für die Konsumierenden ein akutes Risiko darstellen und zu schwerwiegenden oder sogar tödlichen Vergiftungen oder anderen gesundheitlichen Problemen führen können. Im Laufe der Zeit scheinen gesetzliche Kontrollen und andere Regulierungsmaßnahmen, die in Europa und nicht europäischen Ursprungsländern ergriffen wurden, zu einem Rückgang der Zahl der jährlich neu auftauchenden psychoaktiven Substanzen beigetragen zu haben, was insbesondere auf solche zutrifft, die gezielt bekämpft wurden, wie z. B. Fentanylderivate und synthetische Cannabinoide. Andere Substanzen, die so hergestellt werden, dass die Rechtsvorschriften umgangen werden, sind jedoch nach wie vor auf dem Vormarsch, wobei China und Indien wichtige Ursprungsländer für diese Substanzen oder die zu ihrer Herstellung benötigten Vorläufersubstanzen bleiben.

Mögliche Vergiftungen durch synthetische Cannabinoide geben weiterhin Anlass zur Sorge

Im Jahr 2024 identifizierten die europäischen Länder 20 neue Cannabinoide. Bei 18 davon handelte es sich um halbsynthetische Cannabinoide. Dies entspricht über 40 % der neuen Substanzen, die in diesem Jahr erstmals an das EU-Frühwarnsystem gemeldet wurden.

Wenngleich es Anzeichen dafür gibt, dass die Verfügbarkeit synthetischer Cannabinoide im Jahr 2023 deutlich zurückgegangen ist, stellen diese Substanzen weiterhin eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit dar, insbesondere für gefährdete Bevölkerungsgruppen wie Inhaftierte. Synthetische Cannabinoide sind häufig hochwirksam und bergen eine Vergiftungsgefahr. Diese Verbindungen können auch fälschlicherweise verkauft oder zur Verfälschung von Cannabis- und halbsynthetischen Cannabinoidprodukten verwendet werden, wodurch sich die Gesundheitsrisiken erhöhen. Dazu können auch Cannabis-Edibles gehören, also Lebensmittel, oft in Form von „Süßigkeiten“, die in der Regel mit Cannabisextrakt versetzt sind. Diese sind seit 2021 vermehrt auf dem illegalen Markt in Europa erhältlich.

Nach der Einführung allgemeiner rechtlicher Kontrollmaßnahmen durch China im Juli 2021 wurde die Versorgung Europas mit fast allen bekannten synthetischen Cannabinoiden unterbrochen, wodurch die Verfügbarkeit von dominanten Verbindungen wie MDMB-4en-PINACA und ADB-BUTINACA zurückging. Die Hersteller reagierten darauf mit der Einführung neuer Verbindungen wie der OXIZID-Verbindungen, die sich aber nie wirklich durchgesetzt haben. Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass diese Substanzen nun auch in Europa hergestellt werden. So wurden im Jahr 2023 Aushebungen einer kleinen Anzahl illegaler Labore und Sicherstellungen von über 148 Kilogramm MDMB-INACA-Vorläufersubstanzen gemeldet (Abbildung 7.1).

Abbildung 7.1. Aushebung eines Lagers und eines Herstellungslabors für synthetische Cannabinoide in Griechenland, 2023
Seized warehouse and laboratory producing synthetic cannabinoids in greece 2023

Quelle: griechische Polizei, Zentrale Koordinierungsstelle für Drogenbekämpfung – Nationale Nachrichtendienststelle (SODN-EMP), Staatliches Chemielabor.

Die Verfügbarkeit synthetischer Cannabinoide in Europa kann durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden, darunter Veränderungen in der heimischen Produktion, das mögliche Wiederaufkommen früher beliebter älterer Verbindungen und die Entstehung neuer groß angelegter Produktionsstätten außerhalb Chinas Parallel zu den Entwicklungen auf dem Markt für synthetische Cannabinoide nahm die Verfügbarkeit von halbsynthetischen Cannabinoiden nach der Legalisierung der Herstellung und des Verkaufs von Hanf in den Vereinigten Staaten im Jahr 2018 zu.

Der Konsum halbsynthetischer Cannabinoide birgt unbekannte Gesundheitsrisiken

Halbsynthetische Cannabinoide sind chemisch modifizierte Formen der Cannabinoide, die in der Cannabispflanze vorkommen. Sie wurden erstmals im Jahr 2022 in Europa gemeldet, wo sie als legale Alternativen zu Cannabis und Delta-9-THC vermarktet wurden. Bis Ende 2024 waren auf den Drogenmärkten in Europa 24 halbsynthetische Cannabinoide identifiziert worden. Diese Substanzen haben sich rasch verbreitet, und es wurden Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung ergriffen. Hexahydrocannabinol (HHC), das erste identifizierte halbsynthetische Cannabinoid, wurde in 27 europäischen Ländern gemeldet und in mindestens 22 EU-Mitgliedstaaten als kontrollierte Droge eingestuft. Im November 2024 wurde es vom Sachverständigenausschuss der Weltgesundheitsorganisation für Drogenabhängigkeit für die internationale Kontrolle empfohlen. Weitere halbsynthetische Cannabinoide, die in Europa ebenfalls weithin verfügbar sind, sind Hexahydrocannabinol-O-acetat (HHC-O), Hexahydrocannabiphorol (HHC-P), Delta-9-Tetrahydrocannabiphoro (Delta-9-THCP) und Hexahydrocannabiphorylacetat (HHC-P-O-A).

Zunächst wurden halbsynthetische Cannabinoide aus den Vereinigten Staaten eingeführt. Mittlerweile werden sie jedoch auch in Europa hergestellt (Abbildung 7.2). Die Produktion hat sich ebenfalls weiterentwickelt – von CBD-Derivaten aus THC-armen Cannabissorten wie HHC bis hin zu offenbar vollständig synthetischen Produkten wie HHC-P.

Abbildung 7.2. Aushebung einer Produktionsstätte für halbsynthetische Cannabinoide durch die rumänische Polizei im Jahr 2023
Aushebung einer Produktionsstätte für halbsynthetische Cannabinoide durch die rumänische Polizei im Jahr 2023, DIICOT – Iași Territorial Service, Operation „Dream Factory“

Quelle: DIICOT – Iași Territorial Service, Operation „Dream Factory“.

Wenngleich die Auswirkungen von halbsynthetischen Cannabinoiden auf den Menschen noch kaum erforscht sind, deuten Berichte darauf hin, dass sie denen von Cannabis ähneln und Risiken von Nebenwirkungen bergen, die von leichten bis zu schweren Vergiftungen reichen und manchmal eine Behandlung im Krankenhaus erfordern. Einige Länder melden eine steigende Zahl von Vergiftungsfällen im Zusammenhang mit diesen Substanzen, eine systematische Berichterstattung ist derzeit jedoch nicht verfügbar. Die pharmakologische Ähnlichkeit von halbsynthetischen Cannabinoiden mit Delta-9-THC gibt Anlass zu Bedenken hinsichtlich ihres Potenzials, psychotische Episoden auszulösen, sowie hinsichtlich ihres Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzials.

Halbsynthetische Cannabinoide sind online und in einigen Ländern auch in physischen Verkaufsstellen erhältlich, darunter Vape-Shops und Fachgeschäften, die Cannabisprodukte mit niedrigem THC-Gehalt und CBD-Produkte verkaufen. In einigen Ländern können sie auch in Bedarfsartikelgeschäften (Kiosken) und Verkaufsautomaten verkauft werden. Bei den wichtigsten Erzeugnissen handelt es sich um aromatisierte Edibles und Vape-Produkte sowie um Cannabis mit niedrigem THC-Gehalt, das mit Cannabinoiden besprüht oder vermischt wurde. Ihre Zugänglichkeit und ihr vermeintlich legaler Status können sowohl erfahrene Cannabiskonsumierende als auch Erstkonsumierende anziehen, darunter möglicherweise auch Jugendliche und Kinder. Die Ähnlichkeit von Edibles mit gewöhnlichen Lebensmitteln, insbesondere Süßigkeiten, wirft auch erhebliche Bedenken hinsichtlich des versehentlichen Konsums, insbesondere durch Kinder, auf.

Laboranalysen haben ergeben, dass sich die Produkte in ihrer Konzentration halbsynthetischer Cannabinoide stark unterscheiden können, wobei einige sehr hohe Mengen enthalten. Die Produkte können nicht deklarierte Cannabinoide wie Delta-9-THC oder Delta-8-THC oder neuartige halbsynthetische Verbindungen in unterschiedlichen Konzentrationen enthalten. Die enthaltenen halbsynthetischen Cannabinoide – deren Wirksamkeit unterschiedlich ausfallen kann – und ihre Konzentrationen können sich von Produkt zu Produkt und von Charge zu Charge erheblich unterscheiden. Insgesamt stellt diese Variabilität und Unvorhersehbarkeit ein potenzielles Vergiftungsrisiko für die Konsumierenden dar.

Die rasche Verbreitung von Vapes und Edibles – insbesondere Gummibärchen – ist unter Aspekten der öffentlichen Gesundheit besonders besorgniserregend. Ihre Zugänglichkeit und Attraktivität könnten neue, möglicherweise jüngere Konsumierende anziehen, die sonst kein illegales Cannabis konsumieren würden oder Zugang dazu hätten oder die sonst keine Cannabinoide rauchen wollen würden. Darüber hinaus kann die langsamere Aufnahme von Cannabinoiden aus Edibles und das spätere Einsetzen der ersten Wirkung im Vergleich zum Vaping oder Rauchen dazu führen, dass Konsumierende mehrere Portionen zu sich nehmen und damit toxische Dosen riskieren. Hinzu kommt, dass sich die Konsumierenden häufig nicht über die richtige Dosierung im Klaren sind oder mehr als empfohlen konsumieren, wodurch das Vergiftungsrisiko weiter steigt. Im Juni 2024 meldete Ungarn Massenvergiftungen mit 30 akuten, nicht tödlich verlaufenen Fällen im Zusammenhang mit „Gummibärchen“, die zwei hochwirksame halbsynthetische Cannabinoide enthielten.

Synthetische Cathinone: Großeinfuhren und EU-Produktion in großem Maßstab führen zu einer größeren Verfügbarkeit

Synthetische Cathinone haben sich in einigen Teilen Europas als Ersatz für Stimulanzien wie Amphetamine und Kokain etabliert. Während der unbeabsichtigte Konsum von Drogenmischungen und Tabletten nach wie vor Anlass zur Sorge gibt, könnten einige Konsumierende diese verschiedenen Stimulanzien hinsichtlich ihrer Wirkung als funktional gleichwertig betrachten und sie gezielt ins Auge fassen. Der Markt hat sich seit dem Phänomen der „Legal Highs“ in den Jahren 2014/2015 erheblich weiterentwickelt. Damals kamen jedes Jahr fast 30 neue Cathinone auf den Markt, verglichen mit nur sieben im Jahr 2024. Über 60 zuvor gemeldete synthetische Cathinone wurden auch 2023 auf dem EU-Drogenmarkt nachgewiesen.

Trotz der geringeren Zahl neuer Substanzen haben die von den Strafverfolgungsbehörden gemeldeten Mengen an Einfuhren und Sicherstellungen ein beispielloses Ausmaß erreicht. Die jährlich gemeldeten Mengen stiegen in der Europäischen Union im Jahr 2023 um 10 Tonnen auf 37 Tonnen, wobei vorläufige Daten auf anhaltend hohe Mengen bis 2024 hindeuten. Dabei handelte es sich hauptsächlich um eine kleine Anzahl von Einfuhren sehr großer Mengen aus Indien, vor allem über die Niederlande. Nach den jüngsten Kontrollmaßnahmen in den Niederlanden betreffend 3-MMC und 3-CMC gibt es Hinweise darauf, dass sich 2-MMC als Ersatzstoff abzeichnet. Obwohl sie auf nationaler Ebene nicht repräsentativ sind, geht aus Daten von zwölf Drug-Checking-Diensten in zehn EU-Mitgliedstaaten aus der ersten Jahreshälfte 2024 hervor, dass die Hälfte der Proben der Produkte, die als 3-MMC verkauft wurden (Pulver und Tabletten), stattdessen 2-MMC enthielt. Was die Kaufabsicht betrifft: Von allen Proben, die Cathinone enthielten, waren sich die Konsumierenden bei 88 % (558) bewusst, dass die entsprechenden Produkte Cathinone enthielten, während bei den verbleibenden 12 % (76) der Proben, bei denen es sich zum Großteil um MDMA-Produkte handelte, das Vorhandensein von Cathinonen auf fälschlichen Verkauf und Verfälschungen schließen ließ.

Große Sicherstellungen von Vorläufersubstanzen im Jahr 2023 deuten darauf hin, dass synthetische Cathinone in der Europäischen Union, insbesondere in Polen, nach wie vor in großem Ausmaß hergestellt werden (Abbildung 7.3). Größe und Umfang der Produktionsstätten, die von den Strafverfolgungsbehörden als ausgehoben gemeldet werden, reichen von „Küchenlaboren“ bis hin zu Anlagen mit höherem Durchsatz, nehmen jedoch seit 2021 zu (siehe auch Drogenangebot, Drogenherstellung und Vorläufersubstanzen – die aktuelle Situation in Europa).

Abbildung 7.3. Teil einer Sicherstellung von 800 Kilogramm synthetischer Cathinone in einem ausgehobenen Labor zur Herstellung synthetischer Drogen in Lublin, Polen, 2024.
Seizure by the Central Bureau of Police Investigation.
Seizure by the Central Bureau of Police Investigation.

Hinweis: Sicherstellung durch das Zentrale Ermittlungsbüro der Polizei

Während 3-MMC und 3-CMC in den letzten Jahren den Markt dominiert haben, können weniger verbreitete Cathinone wie Alpha-Pyrrolidinoisohexanophenon (Alpha-PHiP, manchmal als „Flakka” verkauft) und N-Ethylnorpentedron (NEP) lokalisierte Gesundheitsprobleme verursachen. Diese kleineren Trends werden von den Gesundheitsbehörden möglicherweise nicht frühzeitig erkannt und können somit ernsthafte Schäden verursachen, bevor sie entdeckt werden. Vor Kurzem hat die EUDA Risikobewertungen für drei neue synthetische Cathinone durchgeführt: 2-Methylmethcathinon (2-MMC), 4-Bromomethcathinon (4-BMC) und N-Ethylnorpentedron (NEP).

Lebensbedrohliche Nitazen-Opioide tauchen weiterhin auf dem EU-Drogenmarkt auf

Neue synthetische Opioide sind häufig hochwirksam, sodass eine geringe Menge ausreicht, um eine große Menge typischer Straßendosen herzustellen, und sie können ein erhöhtes Risiko lebensbedrohlicher Vergiftungen bergen. Seit 2012 stellen zwei unterschiedliche Wellen von starken Opioiden eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit in Europa dar. Die erste zwischen 2012 und 2019 wurde durch 38 Fentanylderivate verursacht und führte zu mindestens acht dokumentierten Vergiftungsfällen, die schätzungsweise 285 Todesfälle zur Folge hatten. Die rechtlichen Kontrollen in den Vereinigten Staaten, Europa und China führten zum raschen Verschwinden dieser Drogen. Seit 2019 werden sie durch hochwirksame Benzimidazol-Opioide, sogenannte „Nitazene“, ersetzt. Jüngste Daten deuten darauf hin, dass die Verfügbarkeit und die Risiken im Zusammenhang mit Nitazen-Opioiden zunehmen.

Im Jahr 2024 wurden sieben neue synthetische Opioide offiziell an das EU-Frühwarnsystem gemeldet, bei denen es sich ausnahmslos um Nitazene handelt. Dies ist die höchste Zahl, die jemals in einem einzigen Jahr gemeldet wurde. Seit 2019 haben mittlerweile mindestens 21 EU-Mitgliedstaaten Nitazen gemeldet.

Nitazene-Opioide werden mit drogenbedingten Todesfällen in Europa in Verbindung gebracht. So deuten Meldungen aus Estland (62 von 119 Todesfällen) und Lettland (101 von 154 Todesfällen) aus dem Jahr 2023 darauf hin, dass diese Substanzen einen steigenden Anteil an den Todesfällen durch Überdosierung in diesen Ländern haben. Aufgrund ihrer hohen Wirkstärke und Neuartigkeit gibt es Bedenken, dass Nitazen-Opioide möglicherweise in Verfahren, die in der Regel für die Post-mortem-Toxikologie verwendet werden, nicht routinemäßig nachweisbar sind. Im Jahr 2022 wurden in Europa mindestens 159 Todesfälle mit Fentanyl und Fentanylderivaten in Verbindung gebracht. Viele dieser Todesfälle hingen mit Fentanyl, das im Rahmen der medizinischen Anwendung abgezweigt wurde, zusammen und nicht mit Fentanyl, das für den illegalen Drogenmarkt hergestellt wurde.

Im Jahr 2023 hat sich die Menge des in Europa nachgewiesenen Nitazen-Pulvers im Vergleich zu 2022 auf zehn Kilogramm verdreifacht. Meldungen an das EU-Frühwarnsystem deuten zudem darauf hin, dass die Verfügbarkeit gefälschter Drogen, die Nitazen-Opioide enthalten, in Europa in jüngster Zeit erheblich zugenommen hat. Diese Produkte imitieren in der Regel legale verschreibungspflichtige Arzneimittel, insbesondere Oxycodon und – in geringerem Maße – Benzodiazepine wie Diazepam und Alprazolam. Das scheinbar legitime Erscheinungsbild dieser Tabletten könnte auch potenzielle Gesundheitsrisiken verstärken, indem es bei den Konsumierenden ein falsches Gefühl der Sicherheit erzeugt. Obwohl sie im Allgemeinen von Hochrisiko-Opioidkonsumierenden eingenommen werden, bestehen Bedenken dahingehend, dass sie von breiteren Bevölkerungsgruppen ohne Opioidtoleranz, darunter auch jungen Menschen, konsumiert werden könnten (Abbildung 7.4). Im Jahr 2023 stellten Behörden in acht Ländern fast 24 000 nitazenhaltige Tabletten sicher, verglichen mit nur 430 Tabletten im Jahr 2022. Vorläufige Daten aus dem Jahr 2024 bestätigen diesen Trend: In neun EU-Mitgliedstaaten wurden mehr als 50 000 Tabletten sichergestellt. Wenngleich die Zahl der Sicherstellungen nach wie vor relativ gering ist, könnten diese Daten auf ein potenzielles Wachstum des Marktes für diese lebensbedrohlichen Substanzen hindeuten. Diese gefälschten Arzneimittel bergen aufgrund der hohen Wirksamkeit von Nitazenen ein erhebliches Risiko schwerer Vergiftungen, insbesondere für Personen ohne Opioidtoleranz. Im Juni 2024 meldete Irland etwa 20 nicht tödliche Überdosierungen im Zusammenhang mit gefälschten Benzodiazepin-Tabletten, die Protonitazen enthielten.

Abbildung 7.4. Sicherstellung von gefälschten Oxycodon-Tabletten, die Metonitazen enthielten, in Schweden im Jahr 2023
Flasche mit gefälschten Oxycodon-Tabletten

Quelle: schwedisches Zolllabor.

Die Situation in Europa in Bezug auf Opioide ist weiterhin potenziellen Veränderungen aufgrund internationaler Entwicklungen ausgesetzt. Das von den Taliban im April 2022 verhängte Verbot des Mohnanbaus in Afghanistan hat zu einer erheblichen Reduzierung der Opiumproduktion geführt, doch inwieweit dies die Heroinversorgung Europas einschränken könnte, bleibt unklar, da in Afghanistan noch Opiumvorräte vorhanden sind. In einigen Ländern könnten etwaige Versorgungslücken durch neue synthetische Opioide und andere Substanzen geschlossen werden. Die Ausweitung der Kontrolle Chinas über Nitazen-Opioide im Jahr 2024, die nun zehn Substanzen umfasst, könnte jedoch zu einer Verlagerung des Marktes weg von dominierenden Verbindungen wie Metonitazen und Protonitazen hin zu neuen Derivaten oder alternativen Opioidfamilien führen. So ist beispielsweise seit Mitte 2024 ein geringer, aber signifikanter Anstieg bei den Nachweisen von Substanzen zu verzeichnen, die zur „Orphin“-Familie gehören, wobei fünf EU-Länder Cychlorphin (ein Benzimidazolon) und zwei Spirochlorphin (ein Spirosol) nachgewiesen haben. Für diese Substanzen liegen derzeit zwar keine pharmakologischen Daten vor, doch ihre strukturelle Ähnlichkeit mit Brorphin, einem wirkstarken Opioid, deutet darauf hin, dass Atemdepression ein wesentliches Gesundheitsrisiko sein dürfte (siehe auch Heroin und andere Opioide – die aktuelle Situation in Europa).

Diese Entwicklungen verdeutlichen die zentralen Herausforderungen im Bereich der Vorsorge. Die Europäische Union sowie die nationalen Frühwarnsysteme und die damit verbundenen Labornetzwerke müssen daher unbedingt bereit sein, neu auftretende Nitazen-Derivate und andere neue synthetische Opioide zu erkennen und darauf zu reagieren. Allgemeiner gesagt erfordert die Verfügbarkeit hochwirksamer synthetischer Opioide eine Überprüfung, ob die derzeitigen Ansätze zur Prävention, Behandlung und Schadensminimierung im Zusammenhang mit dem Opioidkonsum weiterhin zweckmäßig sind. So wurde beispielsweise vorgeschlagen, die Ansätze zur Bereitstellung des Opioid-Gegenmittels Naloxon zu überprüfen, da die Versorgungsmodelle möglicherweise angepasst werden müssen, um den Bedürfnissen von Personen gerecht zu werden, die neue synthetische Opioide oder Gemische, die neue synthetische Opioide und andere Substanzen enthalten, konsumiert haben (siehe auch Opioid-Agonisten-Therapie – die aktuelle Situation in Europa und Schadensminimierung – die aktuelle Situation in Europa).

Siehe auch den gemeinsamen Bericht der EUDA und von Europol aus dem Jahr 2024 „EU Drug Market: New psychoactive substances – In-depth analysis (EU-Drogenmarkt: neue psychoaktive Substanzen – eingehende Analyse) und den Leitfaden der EUDA „Health and social responses to drug problems“ (Gesundheitliche und soziale Antworten auf den Drogenkonsum).

Wichtige Daten und Trends

Gemeldete neue psychoaktive Substanzen

  • Ende 2024 hat die EUDA 1 000 neue psychoaktive Substanzen überwacht, von denen 47 im Jahr 2024 zum ersten Mal in Europa gemeldet wurden (Abbildung 7.5 und Tabelle 7.1).
  • Im Jahr 2023 wurden etwa 350 neue psychoaktive Substanzen bei Sicherstellungen entdeckt (Abbildung 7.6).
  • Im Jahr 2024 gingen beim EU-Frühwarnsystem Meldungen von über 20 neuen Cannabinoiden ein, wodurch sich die Gesamtzahl der überwachten Cannabinoide auf 277 erhöhte.
  • Seit 2009 wurden insgesamt 88 neue Opioide auf dem europäischen Drogenmarkt entdeckt, darunter sieben neue Substanzen, die im Jahr 2024 gemeldet wurden und bei denen es sich ausschließlich um hochwirksame Nitazen-Opioide handelt, deren Wirkstärke hundert Mal höher sein kann als die von Heroin. Bislang wurden in Europa 22 Nitazene nachgewiesen (Abbildung 7.7).
Tabelle 7.1. Meldungen neuer psychoaktiver Substanzen gemäß den Bestimmungen der Verordnung (EU) 2023/1322 und des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates – 2024
Abbildung 7.5. Anzahl der dem EU-Frühwarnsystem erstmals gemeldeten neuen psychoaktiven Substanzen, nach Kategorie, 2005-2024
Abbildung 7.6. Anzahl der neuen psychoaktiven Substanzen, die jedes Jahr nach ihrem ersten Nachweis in der Europäischen Union gemeldet wurden, nach Kategorie, 2005–2023
Abbildung 7.7. Anzahl der erstmals an das EU-Frühwarnsystem gemeldeten neuen Opiode, 2009-2024

Sicherstellungen neuer psychoaktiver Substanzen

  • Im Jahr 2023 entfielen auf die EU-Mitgliedstaaten 33 710 der 110 868 in der Europäischen Union, Norwegen und der Türkei gemeldeten Fälle von Sicherstellungen oder Einfuhren neuer psychoaktiver Substanzen, was 99,9 % der gemeldeten 41,4 Tonnen (30,5 Tonnen im Jahr 2023) entspricht (Abbildung 7.8). Ursächlich für den Anstieg war eine geringe Anzahl von Sicherstellungen von Cathinonen (3-CMC, 2-MMC) (Abbildung 7.9). Darüber hinaus wurden 1 286 Liter Flüssigkeiten, die neue psychoaktive Substanzen enthielten, sichergestellt, hauptsächlich GBL (437 Liter) und 3-CMC (432 Liter).
  • Im Jahr 2023 entfielen fast 90 % der von den EU-Strafverfolgungsbehörden gemeldeten Menge neuer psychoaktiver Substanzen auf nur vier Substanzen: drei Cathinone (3-CMC, 2-MMC und N-Ethylnorpentedron, 33,8 Tonnen) und Ketamin (2,9 Tonnen gegenüber 2,8 Tonnen im Jahr 2022) (Abbildung 7.9).
  • Im Jahr 2023 meldeten 24 Länder die Sicherstellung von 81 Kilogramm synthetischer Cannabinoide (234 Kilogramm im Jahr 2022) und 181 Kilogramm halbsynthetischer Cannabinoide als Kräutermaterial (47 Kilogramm im Jahr 2022). Die sichergestellten Mengen an synthetischen Cannabinoiden in Pulverform gingen deutlich zurück – von 503 Kilogramm im Jahr 2022 auf zehn Kilogramm im Jahr 2023. Mit 149 Kilogramm und 210 Litern machte HHC den größten Teil der sichergestellten halbsynthetischen Cannabinoide aus. Cannabiskraut-Produkte mit niedrigem THC-Gehalt, die synthetische oder halbsynthetische Cannabinoide enthalten, machten rund 50 % des sichergestellten Materials aus; sie beliefen sich auf 131 Kilogramm (76 Kilogramm im Jahr 2022) und wurden von 15 Ländern gemeldet.
  • Im Jahr 2023 wurden 927 Sicherstellungen und 22 Kilogramm synthetischer Opioide an das EU-Frühwarnsystem gemeldet – ein Anstieg gegenüber 17 Kilogramm im Jahr 2022. Bemerkenswert ist, dass sich die Menge der im Jahr 2023 sichergestellten Nitazene von drei auf zehn Kilogramm verdreifacht hat. Von den gemeldeten Sicherstellungen neuer Opioide enthielten 24 % Carfentanil, 24 % Protonitazen, 23 % Metonitazen und 20 % Tramadol. Insgesamt wurde Material in einer Menge von 22 Kilogramm sichergestellt, wovon 32 % (7,0 Kilogramm) Carfentanil, 29 % (6,4 Kilogramm) Protonitazen und 22 % (4,8 Kilogramm) Tramadol enthielten. Die meisten Sicherstellungen synthetischer Opioide erfolgten in Nordeuropa, wobei Estland, Lettland und Litauen 77 % der Sicherstellungen und 76 % (16,7 Kilogramm) der sichergestellten Menge meldeten. Spanien meldete 4,6 % der Sicherstellungen synthetischer Opioide und 21 % (4,7 Kilogramm) der sichergestellten Menge, was hauptsächlich auf zwei Sicherstellungen von Tramadol zurückzuführen ist.
Abbildung 7.8a. Sicherstellungen neuer psychoaktiver Substanzen in der Europäischen Union: Anzahl der Sicherstellungen, 2006-2023
Abbildung 7.8b. Sicherstellungen neuer psychoaktiver Substanzen in der Europäischen Union: sichergestellte Mengen, 2006-2023
Abbildung 7.9. Sicherstellungen neuer psychoaktiver Substanzen in der Europäischen Union: Anteil an der sichergestellten Menge, nach Substanz, 2023

Based on all physical forms expressed in kilograms.

Prävalenz des Konsums neuer psychoaktiver Substanzen

  • Die nationalen Schätzungen des letztjährigen Konsums neuer psychoaktiver Substanzen (ohne Ketamin und GHB) unter jungen Erwachsenen (15- bis 34-Jährige) reichen von 0,1 % in Lettland und Norwegen bis 5,1 % in Rumänien.
  • Im Rahmen der ESPAD 2024 wurde der Lebenszeitkonsum von neuen psychoaktiven Substanzen bei 15- bis 16-jährigen Schülerinnen und Schülern in der Europäischen Union auf durchschnittlich 2,6 % geschätzt, wobei die Spanne von 0,6 % bis 6,4 % reichte. Bei synthetischen Cannabinoiden reichte der Lebenszeitkonsum von 1,0 % bis 16 %, bei synthetischen Cathinonen von 0,4 % bis 3,7 % und bei synthetischen Opioiden bei 0,6 % bis 2,2 %. Die durchschnittliche Prävalenz des Lebenszeitkonsums neuer psychoaktiver Substanzen war bei Jungen und Mädchen gleich.
  • In der europäischen Online-Erhebung zu Drogen (European Web Survey on Drugs) 2024, einer nicht repräsentativen Umfrage unter Drogenkonsumierenden, gaben 16 % der Befragten an, in den letzten zwölf Monaten neue psychoaktive Substanzen konsumiert zu haben. Davon gaben 21 % an, die Substanzen in der letzten Konsumepisode zusammen mit Cannabis eingenommen zu haben und 15 % zusammen mit MDMA/Ecstasy. Im Hinblick auf den Konsum einzelner Substanzen in den letzten zwölf Monaten gaben 14 % der Befragten an, halbsynthetische Cannabinoide konsumiert zu haben, 3 % synthetische Cannabinoide und 9 % synthetische Cathinone. Rund 70 % der Befragten, die neue psychoaktive Substanzen konsumiert haben, gaben an, die Droge eingenommen zu haben, um „high zu werden oder Spaß zu haben”.

Abkürzungen

Abkürzungen der auf dieser Seite verwendeten chemischen Bezeichnungen
Abkürzung Chemische Bezeichnung
4-BMC 4-Brommethcathinon
2-MMC 2-Methylmethcathinon
3-CMC 3-Chloromethcathinon
HHC-O Hexahydrocannabinolacetat
HHC-P Hexahydrocannabiphorol
HHC-P-O-A Hexahydrocannabiphorolacetat
Delta-9-THC Delta-9-Tetrahydrocannabiphorol
Delta-9-THCP Delta-9-Tetrahydrocannabinol
CBD Cannabidiol
CBG Cannabigerol
GBL Gamma-Butyrolacton
HHC Hexahydrocannabinol

Quelldaten

Der vollständige Datensatz der Quelldaten für den Europäischen Drogenbericht 2025, einschließlich Metadaten und methodischer Hinweise, ist in unserem Datenkatalog verfügbar.

Nachstehend finden Sie einen Teilsatz dieser Daten, der zur Generierung von Infografiken, Diagrammen und ähnlichen Elementen auf dieser Seite verwendet wird.

Button for European Drug Report 2025 survey - click to take survey


Top