Drogenbedingte Todesfälle – die aktuelle Situation in Europa (Europäischer Drogenbericht 2024)

cover of the European Drug Report 2024: Drug-induced deathts

Die Schätzung der drogenbedingten Mortalität ist für das Verständnis der Auswirkungen des Drogenkonsums auf die öffentliche Gesundheit und der möglichen Veränderungen im Laufe der Zeit von entscheidender Bedeutung. Auf dieser Seite finden Sie die neuesten Analysen zu den drogenbedingten Todesfällen in Europa, einschließlich der wichtigsten Daten zu Todesfällen durch Überdosierung, den betreffenden Substanzen und vieles mehr. 

Diese Seite ist Teil des Europäischen Drogenberichts 2024, des jährlichen Überblicks der EMCDDA über die Drogensituation in Europa.

Letzte Aktualisierung: 11. Juni 2024

Um wirksame Maßnahmen entwickeln zu können, brauchen wir ein besseres Verständnis der drogenbedingten Mortalität.

Die Schätzung der drogenbedingten Mortalität ist für das Verständnis der Auswirkungen des Drogenkonsums auf die öffentliche Gesundheit und der möglichen Veränderungen im Laufe der Zeit von entscheidender Bedeutung. Ebenso wichtig für die Entwicklung wirksamer Maßnahmen ist das Verständnis der Faktoren, welche die Trends in diesem Bereich begünstigen. Trotz Verbesserungen in den letzten zehn Jahren verfügen wir nach über zu wenige Informationen, was die Entwicklung von Strategien als auch von Maßnahmen behindert.

Der Begriff drogenbedingte Todesfälle wird für einen Indikator verwendet, mit dem die Todesfälle erfasst werden sollen, die direkt auf den Drogenkonsum zurückzuführen sind und mitunter auch als Todesfälle durch Überdosierung bezeichnet werden. Es sei darauf hingewiesen, dass die Schätzungen der drogenbedingten Todesfälle nur einen Teil der Gesamtmortalität im Zusammenhang mit dem Drogenkonsum darstellen, da die Mortalität aufgrund von Kraftfahrzeug- und anderen Unfällen, Gewalt, Selbstmord durch andere Mittel als Drogenvergiftung oder chronischen Krankheiten, bei denen der Drogenkonsum eine Rolle gespielt haben könnte, nicht berücksichtigt werden. Daher müssen wir unser Verständnis dieser anderen wichtigen Bereiche der drogenbedingten Mortalität durch Kohortenstudien und andere Ansätze erweitern.

Trotz dieser Einschränkungen ist die Bewertung der drogenbedingten Todesfälle nach wie vor für das Verständnis der Schäden wichtig, die der Konsum illegaler Drogen verursachen kann, jedoch kann sich die Auslegung aufgrund von Problemen im Zusammenhang mit der Methodik, Datenverfügbarkeit und Qualität als schwierig herausstellen. Dies gilt insbesondere für die Auslegung der jüngsten Trends bei drogenbedingten Todesfällen, bei denen nur für 21 der 29 von diesem Indikator erfassten Länder Daten für das aktuellste Berichtsjahr (2022) vorliegen und daher für eine Gesamtschätzung auf EU-Ebene geschätzte Werte berechnet werden müssen. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der neue Drogenbedrohungen auftreten können, besteht eine wichtigte Priorität für die Zukunft darin, die Aktualität und Vollständigkeit der Daten in diesem Bereich zu verbessern.

Es sei auch darauf hingewiesen, dass die Zahlen der ermittelten drogenbedingten Todesfälle aus methodischen Gründen wahrscheinlich Mindestschätzungen darstellen und die Meldekapazitäten von Land zu Land unterschiedlich sind, was bedeutet, dass nationale Vergleiche mit Vorsicht angestellt werden müssen. Ein Mangel an detaillierten toxikologischen Informationen in einigen Ländern bedeutet auch, dass unser allgemeines Verständnis für die Rolle, die verschiedene Drogen bei den Trends drogenbedingter Todesfälle spielen, derzeit begrenzt ist. Der Mangel detaillierter toxikologischer Informationen kann auch das Verständnis darüber beeinträchtigen, welche Rolle die verschiedene Drogen bei kombiniertem Konsum spielen. Da bei den meisten tödlichen Überdosierungen mehr als eine Substanz beteiligt ist und die Drogenkonsummuster immer komplexer werden, müssen wir zudem unser Verständnis dafür verbessern, wie sich Veränderungen bei polyvalentem Drogenkonsum auf die Mortalität auswirken. Eine positive Entwicklung in dieser Hinsicht ist, dass mit der Errichtung der neuen Drogenagentur der Europäischen Union (EUDA) im Jahr 2024 die Kapazitäten für die rasche Bewertung von Bedrohungen, die Frühwarnung und die Herausgabe von Warnmeldungen gestärkt und Maßnahmen zur Verbesserung der routinemäßigen Meldekapazitäten in diesem Bereich unterstützt werden. Wichtig ist, dass die neue Agentur auch ein neues Netzwerk forensischer und toxikologischer Labore koordinieren wird, wodurch die verfügbaren Analysekapazitäten zur Überwachung, wie sich verschiedene Drogen und Drogenkombinationen auf Mortalitätstrends auswirken, erhöht werden. 

Opioide spielen zwar häufig eine Rolle, doch werden die meisten drogenbedingten Todesfälle mit dem Konsum mehrerer Substanzen in Verbindung gebracht. 

2022 stieg die Zahl der gemeldeten drogenbedingten Todesfälle in einigen EU-Ländern leicht an, während sie in anderen zurückging. Die vorläufige Gesamtzahl von etwa 6 400 drogenbedingten Todesfällen im Jahr 2022 stellt einen leichten Anstieg gegenüber 2021 dar. Diese Zahl sollte jedoch nicht überinterpretiert werden, da eine Reihe von Ländern mit großen Bevölkerungszahlen noch keine Daten vorgelegt haben und daher für die Berechnung dieser vorläufigen Gesamtzahl notwendigerweise Schätzwerte verwendet wurden.

Obwohl nicht zu allen Todesfällen detaillierte toxikologische Informationen vorliegen, deuten die verfügbaren Daten darauf hin, dass eine polyvalente Vergiftung der Normalfall ist, und wenn detaillierte toxikologische Informationen vorliegen, deuten diese in der Regel darauf hin, dass mehrere Substanzen beteiligt sind.

Aus den verfügbaren Informationen geht hervor, dass Opioide – überlicherweise in Kombination mit anderen Substanzen – nach wie vor die Substanzen sind, die am häufigsten an drogenbedingten Todesfällen beteiligt sind. Die allgemeinen Trends bei den Todesfällen, an denen Opioide beteiligt sind, scheinen stabil zu sein, jedoch nimmt der Anteil der Todesfälle in älteren Altersgruppen zu. Schätzungen zufolge war Heroin in der Europäischen Union an mehr als 1 800 Todesfällen beteiligt und ist nach wie vor die Droge, die in einigen westeuropäischen Ländern am häufigsten an opioidbedingten Todesfällen beteiligt ist. Die verfügbaren Daten deuten jedoch darauf hin, dass Heroin inzwischen nur in wenigen Ländern bei den meisten Todesfällen durch Überdosierung nachgewiesen wird, während andere Opioide und andere Drogen eine wichtigere Rolle spielen. In einigen Ländern werden andere Opioide als Heroin, darunter Methadon und in geringerem Maße Buprenorphin, also Schmerzmittel, die Opioide enthalten, sowie andere synthetische Opioide mit einem erheblichen Anteil der Todesfälle durch Überdosierung in Verbindung gebracht.

Die Daten zur Drogenmortalität weisen auch auf eine alternde Kohorte von Opioidkonsumierenden in Europa hin, wie der Anstieg der Zahl der drogenbedingten Todesfälle bei den 50- bis 64-Jährigen um zwei Drittel zwischen 2012 und 2022 zeigt. Trotz der öffentlichen Wahrnehmung, dass Drogenüberdosierungen ein Problem darstellen, das hauptsächlich junge Menschen betrifft, werden Todesfälle im Zusammenhang mit dem Drogenkonsum in der Regel bei Männern ab 40 Jahren festgestellt.

Die verfügbaren Daten deuten auch darauf hin, dass die Zahl der Todesfälle, bei denen Stimulanzien eine Rolle spielen, in einigen Ländern zunimmt, allerdings mit dem wichtigen Vorbehalt, dass durch Stumulanzien bedingte Todesfälle wahrscheinlich besonders häufig nicht gemeldet werden und Stimulanzien häufig an Todesfällen beteiligt sind, bei denen auch andere Drogen, einschließlich Opioide, eine Rolle spielen. Einige Daten deuten auch darauf hin, dass auch bei jüngeren Alterskohorten drogenbedingte Todesfälle offenbar häufiger mit Stimulanzien zusammenhängen.

Wachsende Besorgnis über Todesfälle im Zusammenhang mit synthetischen Opioiden

Potente synthetische Opioide wie das Fentanyl-Derivat Carfentanil und Nitazen-Opioide, von denen einige wesentlich höher Wirkstärke als Fentanyl aufweisen, wurden mit einigen Ausbrüchen von tödlichen und nicht-tödlichen Vergiftungen in Verbindung gebracht. Außer in einigen baltischen Ländern kommen diese Drogen jedoch nicht sehr häufig in den auf EU-Ebene verfügbaren Routinedaten vor. Dennoch sind die Entwicklungen in diesem Bereich besorgniserregend, da sich diese Substanzen in Zukunft negativ auf die öffentliche Gesundheit in Europa auswirken können.

Besonders problematisch ist das vermehrte Aufkommen von Nitazen-Opioiden, die 2023 in Irland und Frankreich zu Ausbrüchen lokalisierter Vergiftungen geführt haben. In Irland wurden Nitazene fälschlicherweise als Heroin verkauft, was zu unbeabsichtigtem Konsum und mehreren Überdosierungen führte (siehe Neue psychoaktive Substanzen – die aktuelle Situation in Europa). Aufgrund ihrer hohen Wirkstärke und Neuartigkeit gibt es Bedenken, dass Nitazen-Opioide möglicherweise in Verfahren, die in der Regel für die Post-mortem-Toxikologie verwendet werden, nicht routinemäßig nachweisbar sind. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Zahl der gemeldeten Todesfälle unterschätzt werden könnte. Einige Belege hierfür stammen aus baltischen Ländern, in denen durch Verbesserungen bei den Testmethoden mehr Substanzen nachgewiesen werden konnten. Vorläufige Daten aus Estland zeigen, dass die Drogen im Jahr 2023 bei fast der Hälfte der drogenbedingten Todesfälle (56 von 117, 48 %) nachgewiesen wurden. Im Jahr 2022 waren es 32 von 82 drogenbedingten Todesfällen (39 %). In Lettland verzeichnen sowohl die nationalen Statistiken als auch die forensischen Register vorläufig eine Verdoppelung der Gesamtzahl der drogenbedingten Todesfälle von 63 im Jahr 2022 auf 130 im Jahr 2023, wobei in 38 (29 %) dieser Fälle Nitazen nachgewiesen wurde. Obwohl systematische Tests auf Nitazene im Jahr 2022 nicht möglich waren, stieg die Zahl der Notfälle mit akuter Drogentoxizität unter Beteiligung von Opioiden drastisch an (von 1 936 im Jahr 2021 auf 2 357 im Jahr 2022). Anekdotische Berichte von Klinikmitarbeitern, die darauf hindeuten, dass größere Dosen von Naloxon erforderlich waren, geben Anlass zu der Annahme, dass bei den Notfällen vermutlich synthetische Opioide eine Rolle spielten.

Eine weitere Informationsquelle zur drogenbedingten Mortalität stellen die dem Frühwarnsystem für neue psychoaktive Substanzen gemeldeten Todesfälle dar. Im Jahr 2023 wurden diesem System von fünf Ländern mindestens 150 Todesfälle gemeldet, bei denen unter anderem Nitazene nachweislich eine Rolle spielten. Diese Zahl schließt jedoch auch Fälle ein, in denen die Todesursache nicht bestätigt wurde.

Herausforderungen in Bezug auf absichtliche Selbstvergiftungen 

Es kann schwierig sein, die Absicht einer an einer Drogenüberdosierung gestorbenen Person festzustellen. Viele Todesfälle durch Überdosierung werden als zufällig gemeldet, bei anderen ist die Absicht ungewiss. In einigen Ländern liegen jedoch mehr Informationen über die Absicht vor, und ein relativ hoher Anteil der gemeldeten Todesfälle durch Überdosierung (insgesamt 1 von 6) wurde als absichtlich eingestuft (d. h., es bestand Suizidabsicht). In allen Ländern der Europäischen Union sowie in Norwegen und der Türkei zeigen die jüngsten verfügbaren Daten, dass der Anteil der Todesfälle durch Überdosierung mit Suizidabsicht bei Frauen höher war. In einigen Ländern (Ungarn, Niederlande, Slowenien, Schweden) wurde bei mehr als einem Drittel der gemeldeten Todesfälle durch Überdosierung bei Frauen Suizidabsicht festgestellt, in Bulgarien, Polen und Finnland waren es im Jahr 2022 mehr als ein Viertel. Diese Daten zeigen, dass Maßnahmen erforderlich sind, die auf die absichtliche Selbstschädigung und Suizidabsicht bei Drogenkonsumierenden abzielen, und dass anerkannt werden muss, dass Frauen in diesem Zusammenhang unverhältnismäßig stärker gefährdet sind.

Verhinderung von opioidbedingten Überdosierungen und Todesfällen nach wie vor schwierig 

Um die Zahl opioidbedingter Todesfälle zu verringern, sind sowohl Maßnahmen zur Vorbeugung von Überdosierungen als auch Maßnahmen zur Verhinderung von Todesfällen bei Überdosierung erforderlich (siehe Abbildung 11.1). Durch Veränderungen bei den injizierenden Opioidkonsumierenden und bei den konsumierten Arten von Substanzen ergeben sich neue und größere Herausforderungen im Hinblick auf die Maßnahmen zur Verringerung der Todesfälle durch Überdosierung. Eine dieser Herausforderungen besteht darin, differenzierte Programme zu entwickeln, die auf die Bedürfnisse der verschiedenen Gruppen eingehen, und die Dienste so zu gestalten, dass sie den Bedürfnissen der verschiedenen Altersgruppen entsprechen. Die Teilnahme an einer Opioid-Agonisten-Therapie schützt nachweislich vor einer Überdosis Opioide und einigen anderen Todesursachen, doch gibt es in vielen Ländern noch immer Probleme mit der Reichweite dieser Therapie und dem Zugang zu dieser.

Abbildung 11.1. Maßnahmen zur Verhinderung opioidbedingter Todesfälle nach Zielsetzung und nachgewiesenem Nutzen

  • Verringerung von Todesfällen bei Überdosierung
    • Naloxon-Einsatz*
    • Ausgabe von und Aufklärung über Naloxon* (Fach- und Rettungskräfte, Gemeinschaft)
    • Drogenkonsumräume/-einrichtungen
    • Apps zur Prävention tödlicher Überdosierungen
  • Reduzierung des Überdosierungsrisikos
    • Opioid-Agonisten-Therapie, Verbleib in der Behandlung und Betreuungskontinuität*
    • Gezielte Maßnahmen in Zeiten geringerer Toleranz (z. B. bei Entlassung aus dem Haftanstalt oder Behandlungsunterbrechung)
    • Bewertung des Risikos einer Überdosierung, Sensibilisierung für das Thema und Schadensminimierung
    • Präventionsstrategien gegen Überdosierung
    • Verhinderung der Abzweigung von Arzneimitteln
    • Substanzanalysen und öffentliche Gesundheitswarnungen
    • Unterstützung der Abkehr von der Injektion zugunsten des Rauchens von Opioiden
    • Gezielte Behandlungen (Naltrexonbehandlung, heroingestützte Behandlung)
  • Verringerung der Anfälligkeit
    • Ganzheitliche Betreuung im Rahmen der psychischen und der allgemeinen Gesundheitsdienste
    • Maßnahmen zur Verbesserung des Zugangs zu gesundheitlicher und sozialer Betreuung
    • Programme zur Bereitstellung von Unterkünften
    • Unterstützung von Beschäftigungsprogrammen
    • Maßnahmen gegen Stigmatisierung

Hinweis: Maßnahmen, bei denen es Hinweise auf einen Nutzen gibt und bei denen wir hohes oder hinreichendes Vertrauen in die verfügbaren Daten haben können, werden durch Fettdruck und ein Sternchen (*) hervorgehoben.

Hinweise: Maßnahmen, bei denen es Hinweise auf einen Nutzen gibt und bei denen wir hohes oder hinreichendes Vertrauen in die verfügbaren Daten haben können, werden durch einen kräftigeren Rahmen hervorgehoben. Ein Großteil der aktuell verfügbaren Erkenntnisse über die in dieser Abbildung dargestellten Maßnahmen ist entweder neu oder wird als unzureichend angesehen, was zum Teil auf die praktischen und methodischen Schwierigkeiten bei der Forschungsarbeit zurückzuführen ist, vor allem bei der Entwicklung randomisierter Kontrollstudien (siehe Spotlight on... Understanding and using evidence) [Fokus auf... Verständnis und Nutzung von Forschungsergebnissen]). Hinzu kommt die Tatsache, dass die Modelle für die Erbringung von Dienstleistungen sich häufig erheblich unterscheiden.

Ebenso mehren sich die Hinweise darauf, dass die zunehmende Verfügbarkeit von Opioid-Agonisten eine wichtige Rolle bei der Vermeidung tödlicher Opioid-Überdosierungen spielen kann. Aber auch hier unterscheidet sich das Ausmaß, in dem dieser Ansatz zur Verfügung steht, von Land zu Land und innerhalb der einzelnen Länder. Die Durchführung von Naloxon-Programmen, einschließlich Pilotprojekten, zur Verhinderung von Todesfällen durch Überdosierung wurde von 16 europäischen Ländern bis zum Jahr 2022 gemeldet. Veränderte Konsummuster machen es auch erforderlich, dass die Dienste ihre derzeitigen Lieferprotokolle überprüfen. Bei Überdosierungen mit starken synthetischen Opioiden kann beispielsweise die Gabe mehrerer Dosen Naloxon erforderlich sein, um die Wirkung des Opioids aufzuheben. In einigen Ländern werden als Maßnahme zur Verringerung von Todesfällen durch Überdosierung Drogenkonsumräume bereitgestellt. Diese Einrichtungen gibt es inzwischen in 10 EU-Ländern und in Norwegen (siehe Schadensminimierung – die aktuelle Situation in Europa). In den Fällen, in denen multikulturelle und neue Einwanderergruppen beteiligt sind, ist für Drogenkonsumierende mit hohem Risiko eine verstärkte Schadensminimierung in der eigenen Sprache wünschenswert. Weitere Informationen über die gesundheitlichen und sozialen Maßnahmen zur Verhinderung opioidbedingter Todesfälle finden Sie in dem kürzlich von der EMCDDA herausgegebenen Miniguide.

Wichtige Daten und Trends

Mortalitätsraten im Zusammenhang mit Überdosierungen

  • Die Mortalitätsrate im Zusammenhang mit Überdosierungen in der Europäischen Union im Jahr 2022 wird auf 22,5 Todesfälle pro Million Einwohner im Alter von 15 bis 64 Jahren geschätzt.
  • Die Mortalitätsraten aufgrund von Überdosierung sind bei Männern in der Regel drei- bis viermal höher als bei Frauen (Abbildung 11.2), wobei Männer im Alter zwischen 25 bis 39 Jahren am stärksten betroffen sind. Die Mortalitätsraten im Zusammenhang mit Überdosierungen in dieser Altersgruppe können erheblich höher sein als bei der männlichen Bevölkerung im Alter zwischen 15 und 64 Jahren (Erwachsene). In Schweden beispielsweise lag die Mortalitätsrate im Zusammenhang mit Überdosierung bei Männern im Alter zwischen 25 bis 39 Jahren im Jahr 2022 bei 122 Todesfällen je Million, verglichen mit 73 Todesfällen je Million erwachsener Männer in dem Land. In Estland lagen die entsprechenden Zahlen bei 197 Todesfällen je 1 Million Männer im Alter zwischen 25 bis 39 Jahren und bei 62 Todesfällen je 1 Million erwachsener Männer, in Irland bei 183 Todesfällen je 1 Million Männer zwischen 25 und 39 Jahren, gegenüber 85 Todesfällen je 1 Million aller erwachsenen Männer.
  • In mehreren europäischen Ländern, darunter Dänemark, Spanien, Italien, Niederlande, Portugal und Norwegen, ist die Zahl der an Überdosierung gestorbenen Männer in der Altersgruppe zwischen 40 bis 59 Jahren am höchsten.
Abbildung 11.2. Anteil der Männer an den drogenbedingten Todesfällen in der Europäischen Union, Norwegen und der Türkei im Jahr 2022 oder im aktuellsten Jahr (in Prozent)
 

Todesfälle durch Überdosierung 

Im Jahr 2022 kam es in der Europäischen Union schätzungsweise zu mindestens 6 392 Todesfällen durch Überdosierung von Drogen (6 166 im Jahr 2021). Dies ist eine Mindestschätzung, da einige Länder berichten, dass ihr Überwachungssystem einige Fälle nicht erfasst hat. So deutete beispielsweise eine Kreuzvalidiereung der Daten aus den verschiedenen Registern in Spanien für 2022 darauf hin, dass womöglich nur 4 von 5 Fällen gemeldet wurden. In Deutschland enthält das Sterberegister nur Fälle, die der Polizei bekannt geworden sind. Daher kann es sein, dass Fälle, die nicht bei der Polizei gemeldet werden, auch im Überwachungssystem nicht erfasst werden. Das Ausmaß der Untererfassung ist jedoch nicht bekannt.

  • Opioide, einschließlich Heroin und seine Metaboliten, häufig in Kombination mit anderen Substanzen, waren schätzungsweise an drei Viertel (76 %) der in der Europäischen Union im Jahr 2022 gemeldeten tödlichen Überdosierungen beteiligt (siehe Abbildung 11.3 und Abbildung 11.4). Es sei darauf hingewiesen, dass mehrere Drogen häufig in toxikologischen Berichten über drogenbedingte Todesfälle zu finden sind.
Abbildung 11.3a. Drogenbedingte Todesfälle
 

EU+2 bezieht sich auf die EU-Mitgliedstaaten, Norwegen und die Türkei.

Abbildung 11.3b. Drogenbedingte Todesfälle in der Europäischen Union: Alter zum Zeitpunkt des Todes, 2022 oder neueste verfügbare Daten (in Prozent)
 
Abbildung 11.3c. Trends bei drogenbedingten Todesfällen in der Europäischen Union, Norwegen und der Türkei
 

Hinweis: Für Deutschland entsprechen die Daten ab dem Jahr 2021 vollständig dem europäischen Protokoll, in dem Fälle definiert sind, die aus speziellen Sterberegistern wie etwa jenen der Polizei und der kriminaltechnischen Dienste zu extrahieren sind. Für die vorherigen Jahre sind keine vergleichbare Daten verfügbar. Für diese Reihe und diese Grafik wurden die vorherigen Jahre mit dem ersten verfügbaren Datenpunkt (2021) aufgefüllt, um eine Vermischung verschiedener Datenreihen mit unterschiedlichen Methoden zu vermeiden. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass in Deutschland in diesem Zeitraum gemäß der nationalen Definition ein Anstieg der drogenbedingten Todesfälle zu verzeichnen war.

Abbildung 11.3d. Altersverteilung (in Prozent) der gemeldeten drogenbedingte Todesfälle in der Europäischen Union, Norwegen und der Türkei im Jahr 2022 bzw. im aktuellsten Jahr
 
Abbildung 11.4. Anteil der drogenbedingten Todesfälle, bei denen Opioide erwähnt wurden, 2022 oder aktuellste verfügbare Daten
 

Obwohl keine Informationen zur Toxikologie für die über die allgemeinen Sterberegister (bevorzugte Quelle) in Spanien und Polen gemeldeten Daten verfügbar sind, deuten die verfügbaren Daten aus den alternativen Quelle (forensische spezielle Sterberegister) darauf hin, dass an den meisten drogenbedingten Todesfällen in diesen Ländern Opioide beteiligt waren.

  • Die verfügbaren Daten weisen hinsichtlich der Qualität und des Erfassungsgrads Einschränkungen auf. Dennoch deuten die verfügbaren Informationen darauf hin, dass Heroin in einigen westeuropäischen Ländern bei zahlreichen Todesfällen nach wie vor eine Rolle spielt: mehr als 728 Fälle in Deutschland, 222 in Spanien, 173 in Frankreich, 142 in Österreich (Heroin oder Morphin), 127 in Italien und 104 in Schweden. Insgesamt hingen in der Europäischen Union schätzungsweise mehr als 1 800 Todesfälle mit Heroin zusammen.
  • Heroin wurde in verhältnismäßig wenigen EU-Ländern, nämlich Österreich (Heroin oder Morphin) (77 %) und Italien (57 %), in der Mehrzahl der Todesfälle durch Überdosierung nachgewiesen. Heroin wurde bei etwa zwei Fünfteln bis zu einem Fünftel der Todesfälle durch Überdosierung in Portugal (42 %), Slowenien (42 %), Rumänien (41 %), der Türkei (35 %), Frankreich (26 % im Jahr 2021), Dänemark (24 %), Spanien (24 % im Jahr 2021), Norwegen (22 %) und Schweden (21 %) gemeldet. In Estland, Lettland, Litauen und Finnland wurde im Jahr 2022 Heroin bei weniger als einem von sechs Todesfällen durch Überdosierung gemeldet.
  • In vorläufigen Daten, die noch weiter aktualisiert werden müssen, meldeten fünf Länder im Jahr 2023 bei mindestens 150 Todesfällen einen Zusammenhang mit Nitazenen: Estland (56), Lettland (76), Finnland (8), Schweden (1) und Norwegen (13).
  • Von den 19 europäischen Ländern, die für 2021 und 2022 Daten zur Verfügung gestellt haben, war Kokain, meist in Verbindung mit Opioiden, im Jahr 2022 an 996 (23 %) der Todesfälle durch Überdosierung beteiligt (807 bzw. 20 % im Jahr 2021).
  • Todesfälle im Zusammenhang mit Kokain werden nun auch in Ländern gemeldet, in denen sie zuvor weniger häufig waren, wie Dänemark, Niederlande, Österreich und Slowenien. Kokain war im Jahr 2021 in Spanien an 52 % der Todesfälle durch Überdosierung (477 von 910 Fällen, über die Informationen vorliegen) und im Jahr 2022 in Portugal an 67 % der Todesfälle durch Überdosierung (46 von 69 Fällen) beteiligt.
  • In Frankreich war Kokain im Jahr 2021 an 39 % der Fälle (259 der 662 Todesfälle, über die Informationen vorliegen) beteiligt. Dies entspricht einem Anstieg von 23 % (130 von 567 Todesfällen, für die Informationen vorliegen) im Jahr 2020, was darauf hindeutet, dass Kokain zum Gesamtanstieg der Todesfälle durch Überdosierung im Land beiträgt.
  • Andere Stimulanzien als Kokain, einschließlich Amphetamin und Methamphetamin, sind an vielen Todesfällen beteiligt, häufig neben Opioiden. Von den 20 Ländern, für die für das Jahr 2022 Post-mortem-Daten vorliegen, meldeten 18 Todesfälle, bei denen andere Stimulanzien als Kokain beteiligt waren. Die meisten Todesfälle im Zusammenhang mit anderen Stimulanzien als Kokain wurden von Deutschland (476 Fälle), der Türkei (186), Dänemark (68), Norwegen (63), Lettland (62), Finnland (34), Estland (33) und Österreich (32) gemeldet. Während die von den Ländern gemeldeten Zahlen von Jahr zu Jahr variieren können, belief sich die Gesamtzahl solcher Fälle für die 16 Länder, die in allen drei Jahren vergleichbare Daten gemeldet haben, im Jahr 2020 auf 496, im Jahr 2021 auf 462 und im Jahr 2022 auf 492. Neben diesen drogenbedingten Todesfällen können auch andere durch Stimulanzien bedingte Todesfälle, z. B. im Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Problemen, unerkannt bleiben.
  • Schätzungen zufolge ist die Zahl der in der Europäischen Union gemeldeten Todesfälle durch Überdosierung bei den 50- bis 64-Jährigen zwischen 2012 und 2022 um 69 % gestiegen (um 43 % bei den Frauen und um 101 % bei den Männern) (Abbildung 11.5).
Abbildung 11.5. Anzahl der in der Europäischen Union gemeldeten drogenbedingten Todesfälle in den Jahren 2012 und 2022 bzw. im aktuellsten Jahr nach Altersspannen
 
 
  • In der Hälfte der 20 Länder, für die für das Jahr 2022 toxikologische Post-mortem-Daten vorliegen, war an mindestens einem von vier drogenbedingten Todesfällen Methadon beteiligt. Dieser Opioid-Agonist wurde in etwa einem Drittel der in Deutschland, Frankreich (2021), Spanien (2021) und Kroatien gemeldeten Fälle genannt. Es liegen nur wenige Informationen darüber vor, ob die Arzneimittel verschrieben, missbräuchlich verwendet oder auf dem Schwarzmarkt erworben wurden. Die Erwähnung der Droge bedeutet jedoch nicht, dass sie die Ursache für die Vergiftung war, da Überdosierungen häufig im Zusammenhang mit polyvalentem Drogenkonsum, d. h. zusammen mit anderen Opioiden, Alkohol und anderen Arzneimitteln wie Benzodiazepinen, auftreten. Im Jahr 2022 wurde Buprenorphin im Jahr 2021 bei 56 % (107) der in Finnland gemeldeten drogenbedingten Todesfälle, bei 19 % (92) in Schweden, bei 7 % (20) in Dänemark und bei 7 % (49) der im speziellen Register in Frankreich gemeldeten Todesfälle nachgewiesen. In allen anderen Ländern mit verfügbaren Daten wurde Buprenorphin in weniger als 5 % der tödlichen Fälle von Überdosierung gemeldet oder gar nicht gemeldet.
  • Tramadol, ein Opioid zur Behandlung mittelschwerer bis starker Schmerzen, war im Jahr 2022 in 12 europäischen Ländern an weniger als 6 % (177) der gemeldeten Todesfälle durch Überdosierung beteiligt. Es war jedoch an 47 % der Todesfälle beteiligt, die 2020 vom französischen Register für arzneimittelmissbrauchsbedingte Todesfälle gemeldet wurden, was darauf hindeutet, dass eine bessere Überwachung und toxikologische Untersuchung die Aufdeckung von Todesfällen im Zusammenhang mit opioidhaltigen Arzneimitteln erhöhen könnte.
  • Soweit verfügbar, zeigen die Daten, dass Fentanyl und Fentanyl-Derivate im Jahr 2022 in Europa mit 163 Todesfällen zusammenhingen. Deutschland meldete die höchste Zahl an Todesfällen, an denen die Droge beteiligt war (73). Einige dieser Todesfälle könnten jedoch eher mit abgezweigten Fentanyl-Arzneimitteln als mit illegalem Fentanyl in Verbindung stehen. Die anderen Todesfälle im Jahr 2022 wurden von Litauen (33) gemeldet, gefolgt von Dänemark (20), Schweden (17), Estland (8), Österreich (4), Finnland (3), Lettland (4) und der Türkei (1). Vorläufige Daten aus Estland und Lettland für das Jahr 2023 deuten darauf hin, dass die Zahl der drogenbedingten Todesfälle im Zusammenhang mit neuen synthetischen Opioiden weiter gestiegen ist. Bei den drogenbedingten Todesfällen im Zusammenhang mit Nitazenen wurden 2023 in Estland hauptsächlich Protonitazen (38 von 56; 68 %) und Metonitazen (27 von 56; 48 %) nachgewiesen; in Lettland war es Isotonitazen (32 von 38; 84 %). Die Zahlen für 2023 sind vorläufig und könnten zu niedrig geschätzt sein. In den Ländern, für die Daten vorliegen, war Oxycodon den Berichten zufolge zwischen 2021 und 2022 an 327 drogenbedingten Todesfällen beteiligt, vor allem in Dänemark, Estland, Finnland und Schweden.
  • Der Konsum von Opioiden in Kombination mit Benzodiazepinen erhöht das Risiko einer Überdosierung. Im Jahr 2022 wurden Benzodiazepine zusammen mit anderen Substanzen, vor allem Opioiden, bei den meisten Todesfällen durch Überdosierung in Dänemark, Luxemburg, Österreich und Finnland und in mehr als 4 von 10 Fällen in Portugal und Slowenien nachgewiesen (Abbildung 11.6). Darüber hinaus wurden nach den jüngsten verfügbaren Daten für Spanien, Zypern und Rumänien Benzodiazepine in einem hohen Anteil der Todesfälle durch Überdosierung nachgewiesen. In Bulgarien werden Benzodiazepine nur selten nachgewiesen; dort ist die Gesamtzahl der Todesfälle durch Überdosierung gering, und die Daten sind aufgrund der jährlichen Schwankungen mit Vorsicht zu interpretieren. In vielen Ländern liegen solche Informationen nicht vor, und in anderen werden toxikologische Post-Mortem-Befunde nicht in allen Fällen gemeldet.
Abbildung 11.6. Anteil der drogenbedingten Todesfälle, an denen Benzodiazepine beteiligt waren, 2020 bis 2022, ausgewählte Länder (in Prozent)
 
  • Nur wenige Länder melden Informationen über die Beteiligung von Pregabalin an drogenbedingten Todesfällen. Von den Ländern, die dies tun, meldete Finnland im Jahr 2022 87 Todesfälle (90 im Jahr 2021). Mehrere Länder meldeten einen Anstieg der Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit Pregabalin: Dänemark (von 48 im Jahr 2021 auf 58 im Jahr 2022), Österreich (von 37 im Jahr 2021 auf 54 im Jahr 2022), Spanien (von 41 im Jahr 2020 auf 81 im Jahr 2021) und die Türkei (von 5 im Jahr 2021 auf 25 im Jahr 2022).
  • Die Todesfälle im Zusammenhang mit synthetischen Cannabinoiden gingen 2022 in der Türkei auf 8 zurück (46 im Jahr 2021). Sieben Länder, für die Daten vorliegen, meldeten 2022 27 Todesfälle im Zusammenhang mit synthetischen Cathinonen, nämlich Finnland (13), Estland (5), Portugal (4), Österreich (2), Rumänien (2) und Slowenien (1). In den Ländern, für die Daten für 2021 und 2022 vorliegen, sind die Zahlen in Estland (von 3 auf 5), Finnland (von 6 auf 13), Portugal (von 0 auf 4), Rumänien (von 1 auf 2) und Slowenien (von 0 auf 1) gestiegen und in Österreich (von 7 auf 2) zurückgegangen.

Drogenbedingte Gesamtmortalität

  • Kohortenstudien zeigen, dass die Gesamtmortalität bei Drogenkonsumierenden wesentlich höher ist als bei den Gleichaltrigen in der Allgemeinbevölkerung. So wurde beispielsweise festgestellt, dass zwischen 2018 und 2022 das übermäßige Sterberisiko von injizierenden Drogenkonsumierenden in zwei griechischen Städten 17 Mal so hoch war wie in der Allgemeinbevölkerung. Zwischen 2010 und 2019 war das Risiko einer Übersterblichkeit bei Patientinnen und Patienten mit Missbrauch von Opioiden in Kroatien bei Frauen 17 Mal höher und bei Männern 8 Mal höher als in der Allgemeinbevölkerung.

Quelldaten

Der vollständige Datensatz der Quelldaten für den Europäischen Drogenbericht 2024, einschließlich Metadaten und methodischer Hinweise, ist in unserem Datenkatalog verfügbar.

Nachstehend finden Sie einen Teilsatz dieser Daten, der zur Generierung von Infografiken, Diagrammen und ähnlichen Elementen auf dieser Seite verwendet wird.


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