Die Drogensituation in Europa im Jahr 2024 verstehen – die wichtigsten Entwicklungen (Europäischer Drogenbericht 2024)
Die neueste EMCDDA-Analyse des europäischen Drogenphänomens zeigt einen Markt, der sowohl widerstandsfähig ist als auch durch Entwicklungen auf globaler Ebene beeinflusst wird. Die anhaltenden Gesundheits- und Sicherheitsprobleme durch etablierte und neue illegale Drogen und, in immer höherem Maße, das Zusammenspiel zwischen diesen Drogen, stellen eine Herausforderung für die Gestaltung und Umsetzung wirksamer Maßnahmen dar. Der Europäische Drogenbericht 2024 liefert eine Momentaufnahme der Drogensituation in Europa auf der Grundlage der neuesten verfügbaren Daten. Dieser einleitende Abschnitt enthält einen kurzen analytischen Kommentar zu einigen der wichtigen Themen, die derzeit in der europäischen Drogenpolitik auf der Tagesordnung stehen.
Diese Seite ist Teil des Europäischen Drogenberichts 2024, des jährlichen Überblicks der EMCDDA über die Drogensituation in Europa.
Letzte Aktualisierung: 11. Juni 2024
ÜBERALL, ALLES UND JEDE(R)
Reaktion auf die sich entwickelnden Drogenproblematiken in Europa
Eine zentrale Botschaft der Analyse im Rahmen des Europäischen Drogenberichts aus dem Jahr 2024 lautet, dass die Auswirkungen des Konsums illegaler Drogen mittlerweile fast überall in unserer Gesellschaft zu beobachten sind. Fast alles, was psychoaktive Eigenschaften aufweist, hat das Potenzial, als Droge verwendet zu werden. Das bedeutet, dass jeder und jede direkt oder indirekt vom Konsum illegaler Drogen und den damit verbundenen Problemen betroffen sein kann.
Überall
Drogenprobleme haben heute fast überall Auswirkungen. Auf nationaler Ebene sind sie offenkundig und verschärfen andere komplexe politische Probleme wie Obdachlosigkeit, den Umgang mit psychiatrischen Erkrankungen und die Jugendkriminalität. In einigen Ländern sehen wir auch eine Zunahme von Gewalt und Korruption aufgrund der Situation auf den Drogenmärkten. Weltweit nehmen die Drogenprobleme in vielen Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommensniveau zu, wodurch Steuerung und Entwicklung untergraben und die bereits erheblichen Herausforderungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit, mit denen viele Länder konfrontiert sind, noch verschärft werden.
Alles
Zunehmend ist zu beobachten, dass fast alles, was psychoaktive Eigenschaften aufweist, auf dem Drogenmarkt auftauchen kann, oft mit falscher Kennzeichnung oder in Mischungen, sodass Konsumierende möglicherweise nicht wissen, was sie zu sich nehmen. Dies erhöht die Gesundheitsrisiken und führt zu neuen Herausforderungen im Bereich der Strafverfolgung und Regulierung.
Jeder und jede
Die Folge der von uns beobachteten Entwicklungen ist, dass jeder und jede in irgendeiner Weise vom illegalen Drogenkonsum, der Funktionsweise des Drogenmarktes und den damit verbundenen Problemen betroffen sein kann. Unmittelbar sehen wir dies bei denjenigen, die Probleme bekommen und eine Behandlung oder andere Unterstützungsmaßnahmen benötigen. Indirekt zeigt sich dies in der Anwerbung gefährdeter Jugendlicher für kriminelle Aktivitäten, in der Belastung der Gesundheitsbudgets und in den sozialen Kosten für Gemeinschaften, die sich unsicher fühlen oder in denen Institutionen oder Unternehmen durch Korruption oder kriminelle Praktiken unterminiert werden.
Die Drogenagentur der Europäischen Union – eine Organisation, die Europa bessere Instrumente an die Hand gibt, um wirksam auf ein immer komplexeres und sich rasch wandelndes Drogenphänomen zu reagieren
Seit der Gründung der EMCDDA im Jahr 1993 haben sich Ausmaß und Wesen des Drogenphänomens erheblich verändert. Um den neuen Herausforderungen im Zusammenhang mit den Drogenproblemen unserer Zeit zu begegnen, wurde das Mandat der Agentur überarbeitet, und am 2. Juli 2024 wird aus der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht die Drogenagentur der Europäischen Union (EUDA).
Die EUDA wird die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten durch die Verbesserung und Ausweitung unserer Anstrengungen zur Überwachung des Drogenkonsums und drogenbedingter Probleme, durch eine Verbesserung unseres Vorbereitetseins, neue Bedrohungen zu erkennen und darauf zu reagieren, sowie durch Investitionen in Kompetenzentwicklung unterstützen. Diese Maßnahmen werden dazu beitragen, dass sowohl im Gesundheits- als auch im Sicherheitsbereich ein besseres Eingreifen möglich wird.
Die EUDA wird Dienste in vier sich überschneidenden Bereichen erbringen: Antizipation neuer und künftiger Herausforderungen; Identifizierung von neu auftretenden Risiken und drogenbedingten Bedrohungen und Herausgabe von Warnungen in Bezug auf diese; Bewertung des Bedarfs und der verfügbaren Maßnahmen sowie Unterstützung der Interessenträger durch Bewertung und Verbreitung neuer Erkenntnisse und bewährter Verfahren.
Die Erhebung, Analyse und Verbreitung von Daten bleiben zentrale Aufgaben für die EUDA und werden durch neue Kompetenzen ergänzt. Dies umfasst auch stärkere Investitionen in die Erforschung von und die Reaktion auf Probleme, die sich aus dem polyvalenten Drogenkonsum ergeben, und die Stärkung der Analysekapazitäten durch die Einrichtung eines neuen Netzwerks forensischer und toxikologischer Labors. Die EUDA wird ein neues europäisches Drogenwarnsystem entwickeln, um die derzeitige Arbeit unseres Frühwarnsystems für neue psychoaktive Substanzen zu erweitern und dieses durch neue Fähigkeiten zur Bewertung von Gesundheits- und Sicherheitsbedrohungen zu ergänzen. Größere Investitionen werden auch im Bereich der Ermittlung von Forschungslücken und -bedarf getätigt werden, und regelmäßige vorausschauende Tätigkeiten zur Früherkennung werden dazu beitragen, die EU besser darauf vorzubereiten, auf künftige Herausforderungen im Drogenbereich zu reagieren. Die EUDA wird weiterhin in enger Partnerschaft mit dem Reitox-Informationsnetzwerk der nationalen Knotenpunkte für Drogen zusammenarbeiten, deren Rolle gestärkt wird. Es wird Unterstützung für die Bewertung und Entwicklung evidenzbasierter politischer Maßnahmen geleistet, und die Agentur wird im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Lage sein, mehr in die Unterstützung der politischen Anforderungen auf EU-Ebene zu investieren. Die Agentur wird auch in der Lage sein, mehr zu tun, um evidenzbasierte Maßnahmen und bewährte Verfahren zu entwickeln und zu fördern, eine stärkere internationale Rolle einzunehmen und die Europäische Union bei der Drogenpolitik auf multilateraler Ebene zu unterstützen.
Die Drogensituation in Europa im Jahr 2024 – ein Überblick
Hohe Verfügbarkeit eines breiteren Spektrums von oft wirkstärkeren Substanzen
Eine Analyse angebotsbezogener Indikatoren für häufig konsumierte illegale Drogen in der Europäischen Union legt nahe, dass die Verfügbarkeit bei allen Arten von Substanzen weiterhin hoch ist. Darüber hinaus deuten die vorhandenen Informationen darauf hin, dass der Markt durch die hohe Verfügbarkeit eines breiteren Spektrums von Drogen gekennzeichnet ist, wobei Substanzen häufig mit hoher Wirkstärke oder in neuen Formen, Mischungen oder Kombinationen erhältlich sind. Dazu gehören neuartige Substanzen, bei denen sowohl die Kenntnisse der Konsumierenden als auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Gesundheitsrisiken begrenzt sein können. Auch die Formen, in denen Substanzen auf dem Markt verfügbar sein können, und in einigen Fällen, wie z. B. bei Cannabis, auch die Verabreichungswege, über die sie mitunter konsumiert werden, werden immer vielfältiger, da „Edibles“ und verschiedene Formen von Verdampfertechnologien („Vaping“) zunehmend in Erscheinung treten. Diese Entwicklungen führen zu wachsender Besorgnis, dass die mit einigen Substanzen verbundenen Risiken zunehmen könnten. Insbesondere könnten Drogenkonsumierende durch den – möglicherweise unwissentlichen – Konsum von Substanzen mit höherer Wirkstärke oder von neuartigen Substanzen einem größeren Risiko für Gesundheitsschäden oder -probleme, einschließlich potenziell tödlicher Vergiftungen, ausgesetzt sein.
Zusammenhang zwischen der Nutzung kommerzieller Infrastruktur und hoher Verfügbarkeit von Drogen
Ein wichtiger Faktor für die zunehmende Verfügbarkeit von Substanzen, die in die Europäische Union geschmuggelt werden, ist die Fähigkeit krimineller Gruppen, sich Gelegenheiten zunutze zu machen, die sich durch die Infrastruktur der modernen Güterbeförderung im Handel ergeben. Fast 70 % der von den Zollbehörden sichergestellten Drogen werden in den Häfen der Europäischen Union beschlagnahmt, wobei große Mengen von Drogen, insbesondere Kokain, in Frachtcontainern entdeckt werden. So meldete Spanien im Jahr 2023 die bisher größte Sicherstellung von Kokain in einer einzigen Sendung, bei der 9,5 Tonnen der Droge in aus Ecuador stammenden Bananen versteckt waren. Große Häfen in Belgien und den Niederlanden werden ebenfalls routinemäßig von Schmugglerringen ins Visier genommen, und es bestehen Bedenken, dass kleinere Häfen in anderen Teilen Europas nun zunehmend bedroht sind.
Die Methoden, die von in diesem Bereich agierenden kriminellen Gruppen angewandt werden, werden immer ausgefeilter; so gibt es gut dokumentierte Fälle, in denen Lieferketten infiltriert und Mitarbeiter in Schlüsselpositionen durch Einschüchterung und Korruption instrumentalisiert wurden. Als Reaktion darauf enthält der EU-Fahrplan zur Bekämpfung des Drogenhandels 2023 Maßnahmen, um das Risikomanagement des Zolls zu stärken und geschmuggelte Drogen und Drogenausgangsstoffe besser aufspüren zu können. Dazu gehören die Unterstützung des Einsatzes moderner Containerscanning-Geräte und die Verbesserung der Fähigkeit des Zusammenspiels der EU-Zollinformationssysteme. Der Fahrplan unterstützt auch die neu gegründete Europäische Hafenallianz, eine öffentlich-private Partnerschaft, die Maßnahmen zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der wichtigsten Logistikzentren Europas gegenüber Drogenhandel und Infiltration durch organisierte kriminelle Gruppen umfasst.
Politische Bedenken in Bezug auf drogenbedingte Gewalt und die Ausbeutung von Minderjährigen
Es besteht zunehmend Anlass zur Sorge, dass einige Länder aufgrund der hohen Verfügbarkeit von Drogen, der großen Schmuggelmengen und des Wettbewerbs zwischen kriminellen Gruppen in Europa zunehmend mit Gewalt und anderen Formen der Kriminalität konfrontiert sind, die auf den Drogenmarkt zurückzuführen sind. Traditionell wurde die größte durch Gewaltverbrechen im Zusammenhang mit dem Drogenmarkt verursachte Last von Hersteller- und Transitländern außerhalb der Europäischen Union getragen; dies ist weiterhin der Fall. In Europa, insbesondere in den Ländern, in denen bekanntermaßen große Mengen an Drogen eingeführt oder hergestellt werden, scheint die Gewalt im Zusammenhang mit dem Drogenhandel jedoch zuzunehmen. Gleichzeitig wächst außerdem die Sorge über die Rekrutierung und Ausbeutung von Jugendlichen durch kriminelle Netzwerke, die am illegalen Drogenhandel beteiligt sind. Dies spiegelt sich in der zunehmenden Priorität wider, die der Bekämpfung dieser Bedrohungen durch die Strafverfolgungsbehörden beigemessen wird. Derzeit stellt die Beobachtung von Trends und Entwicklungen im Bereich der Drogenkriminalität auf europäischer Ebene eine Herausforderung dar. Als Reaktion darauf hat die EMCDDA in die Verbesserung der Überwachungsinstrumente in diesem Bereich investiert; ein Beispiel dafür sind die jüngsten Arbeiten zur Entwicklung eines Indikators für drogenbedingte Tötungsdelikte. Die EUDA wird in enger Zusammenarbeit mit Europol und der Europäischen Kommission künftig mehr in diesen Bereich investieren, da fundierte Informationen wahrscheinlich eine Voraussetzung für die Entwicklung wirksamer Interventionsstrategien zur Bekämpfung von Gewalt, Korruption und krimineller Ausbeutung sein werden, die zunehmend mit der Funktionsweise einiger aktuell existierender europäischer Drogenmärkte in Verbindung gebracht werden.
Polyvalenter Drogenkonsum und Drogenmissbrauch erhöhen die Gesundheitsrisiken
Polyvalenter Drogenkonsum ist der gleichzeitige oder aufeinanderfolgende Konsum von zwei oder mehr legalen oder illegalen psychoaktiven Substanzen. Ein damit einhergehendes Problem ist, dass möglicherweise Substanzen verkauft werden, die eine oder mehrere andere Drogen als diejenige enthalten, die der Käufer erwartet hat, und zwar entweder in einer Mischung mit der Substanz, die er kaufen wollte, oder als Ersatz für diese. Dies bedeutet, dass Konsumierende möglicherweise nicht wissen, welche Substanz oder welche Substanzen sie tatsächlich konsumieren. Die Kombination verschiedener Drogen während des Konsums kann das Risiko von Gesundheitsproblemen erhöhen und die Durchführung wirksamer Maßnahmen erschweren, beispielsweise bei der Behandlung akuter Vergiftungen.
Eine zentrale Botschaft des diesjährigen Europäischen Drogenberichts ist, dass der polyvalente Drogenkonsum bei Konsumierenden psychoaktiver Substanzen üblich ist und dass der Konsum von Drogen auf diese Weise das Risiko schwerwiegender Gesundheitsprobleme erhöhen kann. Auch in diesem Bereich scheinen die Herausforderungen zu wachsen. Dies ist zum Teil auf die zunehmende Marktintegration etablierter illegaler Drogen und neuer psychoaktiver Substanzen sowie zum Teil auf die breitere Verfügbarkeit und den Konsum synthetischer Substanzen zurückzuführen. Zu den Problemen in diesem Bereich gehören mit synthetischen Cannabinoiden verfälschte Cannabisprodukte, Produkte, die als MDMA verkauft werden, aber mitunter synthetische Cathinone als Streckmittel enthalten, und das Auftauchen von hochwirksamen synthetischen Opioiden, die mit anderen Substanzen vermischt oder fälschlicherweise als solche verkauft werden. Es sei auch darauf hingewiesen, dass der kombinierte Konsum von Alkohol und illegalen Drogen ebenfalls die Gesundheitsrisiken erhöhen kann, z. B. wenn Alkohol in Kombination mit Kokain, Opioiden oder neuen oder „Straßen“-Benzodiazepinen konsumiert wird.
Es besteht ein Bedarf an forensischen, toxikologischen und innovativen neuen Datenquellen
Eine der Herausforderungen, vor denen die Drogenüberwachung im Jahr 2024 steht, ist die Gewinnung eines tieferen Einblicks bezüglich der Frage, welche Drogen tatsächlich konsumiert und in welchen Kombinationen sie konsumiert werden. Eine bessere Überwachung der Muster des polyvalenten Drogenkonsums und ein besseres Verständnis dessen, was wirksame Maßnahmen in diesem Bereich ausmacht, werden daher zu den Prioritäten der künftigen Arbeit der EUDA gehören. Die Verbesserung der Quellen für toxikologische und forensische Daten und der von ihnen gelieferten Informationen wird eine Schlüsselkomponente sein, um ein besseres Verständnis dafür zu gewinnen, welche Substanzen auf dem Markt verkauft werden und welche Drogen oder Drogenkombinationen besonders schädlich sind. Darüber hinaus wird die EUDA weiterhin in die Entwicklung neuer Datenquellen investieren, die ein detaillierteres Bild der Drogenkonsummuster vermitteln können, wie etwa Daten aus dem Drug-Checking oder Studien zur Überwachung von Spritzen. So werden beispielsweise in gebrauchten Spritzen, die in Zentren für den Spritzen-Austausch gesammelt werden, häufig mehrere Substanzen nachgewiesen, darunter auch Stimulanzien und Opioide, was darauf schließen lässt, dass diese Drogenklassen in europäischen Städten häufig in Kombination konsumiert werden.
Berücksichtigung vielfältigerer und komplexerer Bedürfnisse
Unterstützung der Umsetzung evidenzbasierter Maßnahmen zur Prävention des Substanzkonsums
Die Prävention des Substanzkonsums zielt darauf ab, den Konsum psychoaktiver Substanzen zu verhindern bzw. ihn zu verzögern. Mit dieser Maßnahme kann außerdem Personen, die bereits mit dem Konsum von Substanzen begonnen haben, dabei geholfen werden, die Entwicklung von Suchterkrankungen zu verhindern. Es haben sich jedoch nicht alle in diesem Bereich angewandten Ansätze als wirksam erwiesen, und das Interesse an der Ermittlung und Umsetzung von evidenzbasierten Präventionsprogrammen nimmt stetig zu. Die Verwirklichung dieses Ziels wird nun durch die Einrichtung von Registern für Präventionsprogramme, Ausbildungsinitiativen und die Entwicklung von Qualitätsstandards unterstützt. Der Europäische Präventionslehrplan (European Prevention Curriculum) soll die Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen insgesamt verbessern. In mehr als 25 EU-Mitgliedstaaten und Nachbarländern gibt es inzwischen nationale Ausbilder für den Europäischen Präventionslehrplan. Die Präventionsbemühungen werden auch von Xchange, einem europäischen Online-Register evaluierter Präventionsmaßnahmen, unterstützt. Trotz der Verfügbarkeit hochwertiger Instrumente zur Ermittlung wirksamer Programme herrscht in vielen Ländern nach wie vor entweder ein Mangel an Investitionen in die Arbeit im Bereich der Drogenprävention, oder es gibt Belege dafür, dass die Ressourcen nicht effizient genutzt werden, weil in Programme investiert wird, für die keine belastbaren Wirksamkeitsnachweise vorliegen.
Größere Vielfalt der injizierten Substanzen erhöht Gesundheitsrisiken
Die Gewährleistung einer wirksamen und umfassenden Reaktion und Behandlung für injizierende Drogenkonsumierende in Europa bleibt ein zentrales Thema für Politik und Praxis, wenn drogenbedingte Schäden verringert werden sollen. Die Herausforderungen in diesem Bereich werden jedoch immer komplexer, da die hier gemeldeten Daten ein Beleg für die zunehmende Vielfalt der in Europa injizierten Substanzen sind und zeigen, dass diese Vielfalt mit einem höheren Risiko verbunden sein kann.
Injizierende Drogenkonsumierende sind häufig einem größeren Risiko ausgesetzt als Menschen, die andere Wege des Konsums wählen, z. B. Ansteckung mit durch Blut übertragbaren Infektionen oder Tod aufgrund einer Überdosis. Injizierender Drogenkonsum kann auch bereits bestehende Gesundheitsprobleme verschlimmern oder Abszesse, Septikämie und Nervenschäden verursachen. Obwohl der injizierende Drogenkonsum in Europa in den letzten zehn Jahren weiter zurückgegangen ist, ist er immer noch für einen unverhältnismäßig hohen Anteil der akuten und chronischen Gesundheitsschäden verantwortlich, die durch den Drogenkonsum verursacht werden.
In der Vergangenheit war Heroin die Hauptdroge, die in Europa mit dem injizierenden Drogenkonsum in Verbindung gebracht wurde, aber die hier gemeldeten Daten über Spritzenreste zeigen, wie variabel und komplex die Injektionsmuster geworden sind. Eine breite Palette von Drogen, darunter Amphetamine, Kokain, synthetische Cathinone, Opioid-Agonisten, andere Medikamente und verschiedene neue psychoaktive Substanzen, wird derzeit in Spritzenresten nachgewiesen, häufig in Kombination, was möglicherweise das Risiko einer Überdosierung erhöht. Studien zur Überwachung von Spritzen liefern andere Daten, die darauf hindeuten, dass insbesondere der injizierende Konsum von Stimulanzien bei Personen, die Drogen injizieren, mittlerweile weiter verbreitet ist. Dies ist besorgniserregend, da der injizierende Konsum von Stimulanzien sowohl mit einer größeren Injektionshäufigkeit als auch mit einer Reihe von lokalen HIV-Ausbrüchen, die in Europa in den letzten zehn Jahren gemeldet wurden, in Verbindung gebracht wurde. In den jüngsten Daten werden weiterhin lokale HIV-Ausbrüche im Zusammenhang mit dem injizierenden Konsum von Stimulanzien gemeldet, einschließlich eines Ausbruchs in Monza (Italien) im Jahr 2022.
Ansätze zur Schadensminimierung werden heute als essentiell für die Verringerung der Anzahl der HIV-Übertragungen unter Menschen, die Drogen injizieren, angesehen, insbesondere die Bereitstellung von sterilem Injektionsmaterial, einschließlich der Verteilung der Materialien sowohl in Gefängnissen als auch über Apotheken. Auch hier deuten unsere Auswertungen darauf hin, dass die Abdeckung und der Zugang zu kostenlosen Nadel- und Spritzenprogrammen in vielen EU-Ländern nach wie vor unzureichend sind.
Anzahl der gemeldeten HIV-Fälle kehrt auf das Vor-Pandemie-Niveau zurück
Während hinsichtlich der Zahl der HIV-Neuinfektionen im Zusammenhang mit dem injizierenden Drogenkonsum in der Europäischen Union ein langfristiger Rückgang verzeichnet wurde, ist in mehr als der Hälfte der Daten übermittelnden Länder im Jahr 2022 ein Anstieg der neu gemeldeten HIV-Fälle gegenüber 2021 zu verzeichnen. Im Jahr 2022 stieg die Zahl der neu gemeldeten HIV-Fälle im Zusammenhang mit dem injizierenden Drogenkonsum in der Europäischen Union auf 968, verglichen mit 662 im Vorjahr, und erreichte damit wieder ein ähnliches Niveau wie 2019. Dieser Anstieg könnte zum Teil auf eine gestiegene Zahl der HIV-Tests infolge der Aufhebung der COVID-19-bedingten Beschränkungen sowie auf die Tatsache, dass Gesundheitsdienste, einschließlich HIV-Tests, wieder auf dem Vor-Pandemie-Niveau funktionieren, zurückzuführen sein. Ein weiterer möglicher Einflussfaktor ist die Bewegung von Menschen, die mit einer bekannten HIV-Diagnose leben, zwischen europäischen Ländern nach der russischen Invasion der Ukraine. Ungeachtet der Ursache bedarf diese Feststellung einer weiteren Untersuchung, da jede Veränderung des langfristigen Abwärtstrends, der in diesem Datensatz zu beobachten ist, Anlass zur Sorge geben würde. Auch wenn die Europäische Union im Vergleich zu vielen anderen Regionen der Welt besser abschneidet, bleibt der Rückgang der gemeldeten HIV-Fälle um 38 % seit 2010 hinter dem von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angestrebten Reduktionsziel von 75 % zurück, was darauf hindeutet, dass weitere Anstrengungen unternommen werden müssen, um mit dem Drogenkonsum zusammenhängenden HIV-Infektionen in Europa Herr zu werden.
Anzeichen für eine zunehmende Verfügbarkeit von Ketamin und mögliche damit zusammenhängende Schäden
Ein Teil des Auftrags der neuen EUDA wird darin bestehen, unsere Überwachungskapazitäten auf neuartige Substanzen auszuweiten, die derzeit in den für die routinemäßige Drogenüberwachung verwendeten Datensätzen nicht ausreichend abgebildet werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist Ketamin, für das die Faktenlage zwar dünn ist, aber darauf hindeutet, dass diese Droge auf einigen nationalen Drogenmärkten wahrscheinlich durchgängig verfügbar ist und sich in einigen Milieus als eine bevorzugte Droge etabliert haben könnte. Trotz anekdotischer Hinweise darauf, dass Ketamin von einigen Gruppen junger Menschen verbreitet konsumiert wird, wissen wir nicht viel über die Konsummuster dieser Substanz.
Die Menge an sichergestelltem und an das EU-Frühwarnsystem für neue psychoaktive Substanzen gemeldetem Ketamin schwankte im Laufe der Zeit, blieb jedoch in letzter Zeit auf einem relativ hohen Niveau, wobei die gemeldeten Sicherstellungen von knapp 1 Tonne im Jahr 2021 auf 2,8 Tonnen im Jahr 2022 stiegen. Dies ist allerdings auf EU-Ebene nicht zwangsläufig repräsentativ. Es wird davon ausgegangen, dass der größte Teil des in Europa sichergestellten Ketamins aus Indien stammt, doch können auch Pakistan und China Ursprungsländer für diese Substanz sein.
Ketamin kann allein oder in Kombination mit anderen Substanzen konsumiert werden. Laut aus dem Jahr 2022 stammenden Daten aus Notaufnahmen von Krankenhäusern, die am Euro-DEN-Plus-Netzwerk teilnehmen, war Kokain die Substanz, die am häufigsten in Kombination mit Ketamin bei akuten Vergiftungsfällen gemeldet wurde.
Ketamin wird in der Regel geschnupft, kann aber auch injiziert werden. Es wird mit verschiedenen dosisabhängigen akuten und chronischen Schäden in Verbindung gebracht, darunter neurologische und kardiovaskuläre Toxizität, psychische Störungen und urologische Komplikationen, wie z. B. Blasenschäden durch intensiven Konsum oder das Vorhandensein von Streckmitteln. Derzeit wissen wir nur wenig darüber, inwieweit diese Droge in Europa mit erheblichen Schäden verbunden ist, und es spricht viel dafür, die Überwachung des Ketaminkonsums und der damit verbundenen Schäden zu verbessern.
„Pinkes Kokain“: ein Beispiel für neue synthetische Drogenmischungen, die auf dem EU-Markt auftauchen
Ketamin kann auch anderen Dorgenmischungen, einschließlich MDMA-Pulvern und -Tabletten, zugesetzt werden, was das Risiko eines versehentlichen Konsums erhöhen kann. Mischungen, die als „pinkes Kokain“ verkauft werden, können auch Ketamine enthalten. Dieses Produkt wird in Teilen des EU-Drogenmarktes angeboten, hat aber eine längere Tradition in Lateinamerika, wo es Berichten zufolge häufig die Substanz 2CB enthält, was sich in seinem alternativen Straßennamen „Tucibi“ widerspiegelt. In Europa wurde jedoch eine Reihe synthetischer Substanzen, darunter Ketamin und MDMA, in diesem hell gefärbten, charakteristischen Produkt nachgewiesen. Pinkes Kokain ist in vielerlei Hinsicht ein Beispiel für die ausgefeiltere Vermarktung synthetischer Substanzen an Konsumierende, die wahrscheinlich nur sehr wenig darüber wissen, welche Chemikalien sie tatsächlich konsumieren.
Die europäische Antwort auf Cannabis
Es b
Cannabis ist nach wie vor die am häufigsten konsumierte illegale Droge in der Europäischen Union, wobei die Prävalenz des Konsums etwa fünfmal so hoch ist wie bei der Substanz mit dem zweithäufigsten Konsum (Abbildung Auf einen Blick). Der Cannabiskonsum wird mit einer Reihe von körperlichen und psychischen Gesundheitsproblemen in Verbindung gebracht, wobei davon ausgegangen wird, dass ein frühzeitiger Einstieg, ein regelmäßiger und langfristiger Konsum sowie ein Konsum in hohen Dosen die Risiken erhöhen. Es besteht jedoch nach wie vor der Bedarf, mehr über die Arten von Problemen von Cannabis-Konsumierenden sowie mögliche angemessene Zugangswege und wirksame Behandlungsoptionen für Personen, die in Bezug auf ihren Cannabiskonsum Hilfe suchen, zu erfahren. Auf Cannabis entfällt mehr als ein Drittel aller gemeldeten Einweisungen zur Drogenbehandlung in Europa. Diese Feststellung ist schwer zu interpretieren, zum Teil aufgrund der Vielzahl von Maßnahmen für Cannabis-Konsumierende, darunter Kurzinterventionen oder direkte Einweisungen aus dem Strafjustizwesen. Es sind weitere Anstrengungen erforderlich, um ein besseres Verständnis für die Arten von Interventionen zu gewinnen, die Menschen mit Cannabis-bedingten Problemen angeboten werden. Die vorhandenen Informationen deuten jedoch darauf hin, dass psychosoziale Behandlungen, wie z. B. kognitive Verhaltenstherapie, verbreitet angeboten werden und dass Interventionen im Rahmen von elektronischen Gesundheitsdiensten (eHealth) zunehmend verfügbar sind.
Die Bewertung des Risikos einer Schädigung im Zusammenhang mit dem Cannabiskonsum wird durch die scheinbar zunehmende Palette von den Konsumierenden potenziell zur Verfügung stehenden Produkten auf Cannabisbasis erschwert; zu diesen zählen Edibles, verschiedene Formen von Vapingtechnologien, Produkte mit hoher Wirkstärke und verschiedene Derivate der Droge. Diese Vielfalt kann das Risiko beeinflussen, dass eine Person Probleme mit ihrem Cannabiskonsum bekommt. Über diese Probleme weiß man allerdings nur sehr wenig. In diesem Bereich ist daher weiterhin mehr Forschung und Aufmerksamkeit seitens des Gesetzgebers vonnöten.
Monitoring und Evaluierung sind für die Bewertung der Auswirkungen einer sich ändernden Cannabispolitik von entscheidender Bedeutung
Einige EU-Mitgliedstaaten haben ihren Ansatz zur Regulierung des Konsums von Cannabis als Freizeitdroge geändert oder erwägen eine solche Änderung, wodurch der Zugang zu dieser Droge für einige Konsumierende oder unter bestimmten Bedingungen erleichtert wird. Im Dezember 2021 erließ Malta Rechtsvorschriften für den privaten Anbau und den Cannabiskonsum im privaten Umfeld sowie für gemeinschaftliche, nicht gewinnorientiert betriebene Clubs für den Anbau von Cannabis. Im Juli 2023 erließ Luxemburg eine Rechtsvorschrift, die den privaten Anbau und den privaten Konsum erlaubt, und im Februar 2024 erließ Deutschland eine Rechtsvorschrift zur Legalisierung des privaten Anbaus und nicht gewinnorientiert betriebener Clubs für den Anbau von Cannabis. Die Tschechische Republik hat ebenfalls Pläne für ein reguliertes und besteuertes Vertriebssystem angekündigt.
Der Anbau, der Verkauf und der Besitz von Cannabis sind in den Niederlanden nach wie vor strafbar. Der Verkauf kleiner Mengen von Cannabis an Erwachsene (über 18 Jahre) in „Coffeeshops“ wird jedoch seit Jahrzehnten geduldet. Eines der politischen Ziele für diese Duldung bestand darin, den Cannabismarkt vom Markt für andere Drogen zu trennen. Ein Problem bei diesem Ansatz ist, dass das in Coffeeshops verkaufte Cannabis aus dem illegalen Markt bezogen wird und kriminelle Gruppen daher von diesem Handel profitieren. Um dieses Problem anzugehen, erproben die Niederlande ein Modell zur geschlossenen Cannabis-Lieferkette, bei dem das in Coffeeshops verkaufte Cannabis in regulierten Einrichtungen produziert wird.
In Europa und international wird die derzeitige dynamische öffentliche und politische Debatte darüber, wie Cannabis reguliert werden soll, wohl weitergehen. Die großen kommerziellen Märkte für diese Droge, die es in Nordamerika und an anderen Orten gibt, treiben die Innovation bereits voran und haben wahrscheinlich indirekte Auswirkungen auf die breitere Palette von Cannabisprodukten, die jetzt auf dem europäischen Markt erhältlich sind. Es ist unklar, welche Richtung die künftige europäische Politik einschlagen wird. Klar ist jedoch, dass jede politische Entwicklung in diesem Bereich von einer Bewertung der Auswirkungen der eingeführten Änderungen begleitet werden sollte. Diese Art von Bewertung ist jedoch davon abhängig, dass belastbare Ausgangsdaten vorliegen, was erneut die Notwendigkeit unterstreicht, unser Monitoring der aktuellen Konsummuster der in Europa am häufigsten konsumierten illegalen Droge zu verbessern.
Die sich verändernden Cannabismärkte stellen neue Herausforderungen für die Drogenpolitik dar
Die Vielfalt der in Europa verfügbaren Cannabisprodukte nimmt zu. Dies ist der Fall für den illegalen Drogenmarkt, gilt aber auch für die Märkte für Produkte mit niedrigem THC-Gehalt oder andere Substanzen, die aus der Cannabispflanze gewonnen werden können (wie z. B. CBD), oder beides. Auf dem illegalen Drogenmarkt ist die Verfügbarkeit von hochpotenten Extrakten und Edibles besonders besorgniserregend und wurde mit akuten Vergiftungsfällen in den Notaufnahmen von Krankenhäusern in Verbindung gebracht. Darüber hinaus bestehen Bedenken, dass einige Produkte, die auf dem illegalen Markt als Cannabis verkauft werden, mit potenten synthetischen Cannabinoiden verfälscht werden könnten.
In jüngster Zeit sind auch einige halbsynthetische Cannabinoide auf dem kommerziellen Markt in Teilen Europas in Erscheinung getreten. Das wahrscheinlich am häufigsten anzutreffende halbsynthetische Cannabinoid ist Hexahydrocannabinol (HHC), aber auch Hexahydrocannabiphorol (HHC-P) und Tetrahydrocannabiphorol (THCP) sind seit Kurzem in einigen EU-Mitgliedstaaten kommerziell erhältlich. Diese Substanzen werden als angeblich „legale“ Alternativen zu Cannabis verkauft, was die regulatorischen Herausforderungen in diesem Bereich noch verschärft. Während das Wissen über die Wirkungen von HHC beim Menschen begrenzt ist, wurden mit Erscheinen von Studien, einschließlich einiger Es gab auch Berichte über Vergiftungsfälle bei Kindern, die durch den Verzehr von Speisen, die HHC enthielten, verursacht wurden.
Kokain und synthetische Stimulanzien spielen nun eine größere Rolle in der Drogensituation Europas
Zum sechsten Mal in Folge Rekordmengen an Kokain in Europa sichergestellt
Im Jahr 2022 wurden in den EU-Mitgliedstaaten erneut Rekordmengen an Kokain in Höhe von mindestens 323 Tonnen sichergestellt. Die Zahl der Sicherstellungen in Europa übersteigt inzwischen die der Sicherstellungen in den Vereinigten Staaten, einem Land, das traditionell als einer der größten Märkte für diese Droge gilt. Kokain gelangt auf verschiedenen Wegen nach Europa, wobei der Handel mit großen Mengen Kokain in Frachtcontainern über europäische Seehäfen nach wie vor als einer der Hauptgründe für die derzeit hohe Verfügbarkeit der Droge gilt.
Der Handel mit illegalen Drogen ist äußerst dynamisch und passt sich rasch an geopolitische Entwicklungen, regionale Konflikte und Veränderungen der Handelsrouten an. Es wird davon ausgegangen, dass die Entwicklungen in Kolumbien, Brasilien und Ecuador zum Anstieg der Menge des in die Europäische Union geschmuggelten Kokains beigetragen haben. Da die Maßnahmen zur Unterbindung des Drogenimports an den bekannten Hauptzugangsstellen für die Droge verstärkt wurden, scheinen die Drogenschmuggler zunehmend auf kleinere Häfen in anderen EU-Ländern und in Ländern, die an die Europäische Union angrenzen, abzuzielen, wo die Gegenmaßnahmen möglicherweise weniger sind. Einige nordeuropäische Länder, darunter Schweden und Norwegen, meldeten im Jahr 2023 Rekordsicherstellungen von Kokain in den Seehäfen, was darauf hindeutet, dass alle Zugangsstellen zur Europäischen Union nun anfällig geworden sind.
Kokainproduktionsstätten in Europa zeigen, welche innovativen Methoden Schmugglerringe anwenden, um nicht entdeckt zu werden
Angesichts der regelmäßigen Aufdeckung kokainverarbeitender Großlabore in ganz Europa, insbesondere in Belgien, Spanien und den Niederlanden, wird deutlich, wie länderübergreifende kriminelle Netzwerke auf beiden Seiten des Atlantiks zusammenarbeiten, um neue Methoden für den Transport von Kokain nach Europa zu entwickeln. Dies lässt sich an der Verwendung von Spezialausrüstung und der Beteiligung von Chemikern und Chemikerinnen mit Fachkenntnissen im Bereich der Verschleierung und Verarbeitung von Kokain erkennen. Wenn Kokain in Europa verarbeitet wird, beinhaltet dies in der Regel die sekundäre Extraktion von Kokain, das in andere Materialien eingearbeitet wurde, um das Risiko zu verringern, entdeckt zu werden, wenn die Droge in gewerblichen Lieferungen legaler Waren enthalten ist. Diese Schmuggelmethoden reichen von der einfachen Imprägnierung eines Materials mit Kokain bis hin zu ausgefeilteren chemischen Verschleierungen, bei denen die Droge in eine Vielzahl von Kunststoffen, Polymeren oder Metallkomplexen eingearbeitet wird.
Darüber hinaus werden jetzt auch Kokapaste und Kokainbase nach Europa geschmuggelt, wobei die letzten Schritte der Verarbeitung zu Kokainhydrochlorid in geheimen Labors erfolgen. Die Gründe hierfür sind nicht bekannt, es wird jedoch vermutet, dass dies eine Reaktion auf die relative Knappheit von Chemikalien zur Herstellung von Kokain in Lateinamerika und den wirtschaftlichen Vorteil der Kontrolle der letzten Phasen des Produktionsprozesses in Europa sein könnte.
Die Auswirkungen der hohen Verfügbarkeit von Kokain auf die öffentliche Gesundheit werden immer deutlicher
Kokain ist nach Cannabis die am zweithäufigsten konsumierte illegale Droge in Europa. Es gibt immer mehr Anzeichen dafür, dass sich die anhaltend hohe Verfügbarkeit dieser Droge zunehmend negativ auf die öffentliche Gesundheit in Europa auswirkt. Obwohl die Daten geografisch stark heterogen sind, ist Kokain insgesamt die am zweithäufigsten gemeldete illegale Droge, und zwar sowohl in Bezug auf Erstklienten in Drogenbehandlungseinrichtungen als auch laut den im begrenzteren Umfang vorhandenen Daten über akute Drogenvergiftungsfälle in Notaufnahmen von Krankenhäusern. Nach Angaben der europäischen Drogen-Checking-Einrichtungen, die allerdings auf nationaler Ebene nicht repräsentativ sind, war Kokain im Jahr 2022 die am häufigsten getestete Substanz. Die verfügbaren toxikologischen Daten deuten darauf hin, dass die Droge an etwa einem Fünftel der Todesfälle durch Drogenüberdosierung im Jahr 2022 beteiligt war, häufig in Verbindung mit anderen Substanzen. Da Kokainkonsum kardiovaskuläre Probleme, die eine der Haupttodesursachen in Europa sind, verschärfen kann, ist es wahrscheinlich, dass dem Gesamtbeitrag dieser Droge zur Mortalität nicht ausreichend Bedeutung beigemessen wird.
In zwei Dritteln der Städte, aus denen Daten für 2023 und 2022 verfügbar sind, nahmen die Kokainrückstände im kommunalen Abwasser ebenfalls zu. Zusammen mit anderen Informationen deutet dies darauf hin, dass sich mit der zunehmenden Verfügbarkeit von Kokain auch die geografische und soziale Verteilung der Droge verändert hat. Besonders besorgniserregend ist die Tatsache, dass in einigen Ländern der Kokainkonsum in stärker marginalisierten Gruppen offenbar zunimmt. Dies steht im Gegensatz zu der öffentlichen Wahrnehmung, wonach die Droge eher von sozial integrierten und finanziell gut situierten Menschen konsumiert wird. Sowohl das Rauchen von Kokain als auch der injizierende Kokainkonsum sind mit größeren Gesundheitsproblemen verbunden als das Sniffen, und es ist daher besorgniserregend, dass der injizierende Kokainkonsum und der Konsum von Crack Berichten zufolge in einer Reihe von Ländern zunehmen. Rauchbares Crack ist eine Form der Droge, die mit problematischeren Konsummustern und dem Konsum durch stärker marginalisierte Gruppen in Verbindung gebracht wird. Wie bereits an anderer Stelle in diesem Bericht erwähnt, wurde der injizierende Kokainkonsum in den letzten Jahren mit einer Reihe von örtlich begrenzten HIV-Ausbrüchen in Europa in Verbindung gebracht.
In Europa wird nach wie vor eine bedeutende Menge an synthetischen Drogen hergestellt
Auch wenn die Überwachung illegaler Aktivitäten immer eine Herausforderung darstellt, deuten die verfügbaren Daten darauf hin, dass das Ausmaß und die Komplexität der illegalen Drogenproduktion in Europa weiter zunehmen. Im Jahr 2022 wurden Berichten zufolge Hunderte von Produktionsstätten für synthetische Drogen in der Europäischen Union ausgehoben. Diese Stätten produzierten eine Vielzahl von Substanzen, darunter Amphetamin, Methamphetamin, synthetische Cathinone und MDMA. Auch Anlagen für die letzten Phasen der Heroinproduktion wurden entdeckt. Darüber hinaus deutet die regelmäßige Aufdeckung getrennter Stätten für die Herstellung, Extraktion, Streckung und Verpackung von Kokain in den letzten Jahren darauf hin, dass die sekundäre Kokainproduktion in Teilen Europas inzwischen fest etabliert ist, was den Einsatz innovativer Methoden der chemischen Tarnung und des Schmuggels dieser Droge nach Europa erleichtert.
Anzeichen für Innovationen in Produktionsprozessen zeigen sich auch bei einigen in jüngster Zeit vorgenommenen Sicherstellungen von Chemikalien, die zur Herstellung der für die Produktion von Amphetamin, Methamphetamin und MDMA benötigten Vorläuferchemikalien verwendet werden können. und somit die zur Reduzierung der Verfügbarkeit dieser Drogen eingesetzten Kontrollen umgehen.
Eine Herausforderung in diesem Bereich besteht darin, dass die Verwendung vielfältigerer Chemikalien und die Einführung neuer Wege der chemischen Synthese dazu führen können, dass Zoll, Strafverfolgung und bestehende Vorschriften nur schwer mit den Marktentwicklungen Schritt halten können. Darüber hinaus wächst dort, wo illegale synthetische Drogen hergestellt werden, das Bewusstsein für die Risiken für die öffentliche Gesundheit und die Umwelt, die sich aus der Deponierung oder Entsorgung der oft großen Mengen an gefährlichen Stoffen ergeben, die bei der Drogenherstellung verwendet werden.
Methamphetamin-Produktion und -Schmuggel zeigen Potenzial für einen verstärkten Konsum in Europa
Weltweit scheinen die durch Methamphetamin verursachten Probleme zuzunehmen, und dieses synthetische Stimulans trägt in vielen Teilen der Welt wesentlich zu drogenbedingten Schäden bei. Abgesehen von einigen wenigen Ländern ist Methamphetamin in Europa ein relativ selten konsumiertes Stimulans. Drogentrends gewinnen jedoch stetig an Dynamik und können sich rasch ändern. Dass es einige Anzeichen für die mögliche Ausbreitung des Konsums von Methamphetamin auf weitere Länder gibt, ist trotz eines im Allgemeinen weiterhin niedrigen Konsumniveaus besorgniserregend. Ein weiterer Grund zur Sorge sind die anhaltenden Hinweise auf die Produktion in Europa. Obwohl die Zahl der ausgehobenen Methamphetamin-Produktionsstätten im Jahr 2022 leicht zurückgegangen ist, schwanken diese Zahlen insgesamt von Jahr zu Jahr, da es sich überwiegend um zahlreiche kleine „Küchenlabore“ handelt. Die Herstellung von Methamphetamin in kleinen Mengen für den lokalen Konsum ist ein seit langem bestehendes Phänomen in Teilen Europas, wie z. B. in der Tschechischen Republik, wo etablierte Bevölkerungsgruppen diese Droge konsumieren. In jüngster Zeit mehren sich jedoch die Hinweise auf die Existenz größerer Anlagen, die häufig in anderen Teilen Europas angesiedelt sind und diese Droge in großen Mengen für die Ausfuhr in Nicht-EU-Märkte herstellen.
Die Sicherstellungen von Glycidderivaten von BMK, einem Ausgangsstoff für die Massenproduktion von Methamphetamin in großem Maßstab, sind im Jahr 2022 erheblich angestiegen, und es wurden auch neue alternative Chemikalien sichergestellt, aus denen BMK hergestellt werden kann. Zudem wurden weiterhin große Mengen an Weinsäure sichergestellt. Weinsäure wird bei der Herstellung der wirkstarken und begehrten Form von Methamphetamin (d „Crystal Meth“ eingesetzt) verwendet. Zusammengenommen deuten diese Informationen darauf hin, dass die groß angelegte Produktion von Methamphetamin in der Europäischen Union inzwischen etabliert ist. Derzeit scheint die Produktion in dieser Größenordnung hauptsächlich für die Ausfuhr in Nicht-EU-Märkte bestimmt zu sein. Dies ist an sich schon besorgniserregend, birgt aber auch die Gefahr, dass der Konsum dieser Droge in der Europäischen Union zunehmen könnte, falls hierfür förderliche Marktbedingungen entstehen.
Synthetische Cathinone stellen eine wachsende Herausforderung dar
Der dynamische Charakter des europäischen Drogenmarktes wird durch die steigende Anzahl von Berichten über die Produktion und den Konsum synthetischer Cathinone, einer Drogenklasse, die in Europa relativ neu ist, verdeutlicht. Die hier berichteten Daten weisen weiterhin darauf hin, dass synthetische Cathinone in großem Umfang aus Herkunftsländern wie Indien nach Europa geschmuggelt werden. Gleichzeitig mehren sich die Anzeichen für eine Produktion in der Europäischen Union, vor allem in Polen. Größe und Umfang der von den Strafverfolgungsbehörden als ausgehoben gemeldeten Produktionsstätten variieren von relativ kleinen „Küchenlabors“ bis hin zu Stätten, die große Mengen dieser Substanzen herstellen können. In Anbetracht der nun sichergestellten Mengen an chemischen Ausgangsstoffen und der Sicherstellung von nicht regulierten alternativen Chemikalien ist es wahrscheinlich, dass mittlerweile eine groß angelegte Produktion sowohl für den europäischen Markt als auch für externe Märkte stattfindet.
Die Entwicklungen im Bereich der Opioide stellen sowohl die Drogenpolitik als auch die Maßnahmen vor neue Herausforderungen
Der Tatsache, dass bei den meisten Opioid-bedingten Todesfällen mehrere Substanzen vorliegen, muss größere Bedeutung beigemessen werden
Die Beobachtung, dass die Drogenkonsummuster sowohl an Dynamik gewinnen als auch komplexer werden, wird in unserer Analyse der drogenbedingten Todesfälle, die manchmal als „Todesfälle durch Überdosierung“ bezeichnet werden, erneut deutlich. Opioide sind nach wie vor die am häufigsten beteiligte Substanzgruppe, aber sie werden häufig in Kombination mit anderen Substanzen gefunden, was deutlich macht, dass der polyvalente Drogenkonsum eine wichtige Ursache für drogenbedingte Schäden in Europa ist. Benzodiazepine, Alkohol oder Kokain werden beispielsweise in den verfügbaren toxikologischen Daten häufig zusammen mit Opioiden nachgewiesen, und es ist wahrscheinlich, dass der gleichzeitige Konsum dieser verschiedenen Drogenklassen ein wichtiger, aber nicht immer hinreichend anerkannter Faktor ist, um die drogenbedingte Mortalität zu verstehen und darauf zu reagieren.
Auf EU-Ebene schienen die jüngsten allgemeinen Trends bei den Todesfällen, an denen Opioide beteiligt sind, stabil zu sein, aber der Anteil der Todesfälle in älteren Altersgruppen nimmt zu. Schätzungen zufolge war Heroin im Jahr 2022 in der Europäischen Union an mehr als 1 800 Todesfällen beteiligt und ist nach wie vor die Droge, die in einigen westeuropäischen Ländern am häufigsten bei opioidbedingten Todesfällen nachgewiesen wurde. Die verfügbaren Daten deuten jedoch darauf hin, dass Heroin inzwischen nur in einer Minderzahl von Ländern beim Großteil der Todesfälle durch Überdosierung vertreten ist, während andere Opioide und andere Drogen eine wichtigere Rolle spielen. Insgesamt scheint die Situation heterogener zu sein als in der Vergangenheit, da in einigen Ländern andere Opioide als Heroin, darunter Methadon und in geringerem Maße Buprenorphin, oder Schmerzmittel, die Opioide und andere, neuartige, synthetische Opioide enthalten, mit einem erheblichen Anteil der Todesfälle durch Überdosierung in Verbindung gebracht werden.
Die verfügbaren Daten deuten darauf hin, dass die Zahl der Todesfälle, bei denen Stimulanzien beteiligt sind, in einigen Ländern zunimmt. Die Interpretation dieser Daten ist jedoch schwierig, zum einen, weil Todesfälle im Zusammenhang mit Stimulanzien wahrscheinlich besonders häufig untererfasst werden, und zum anderen, weil Stimulanzien häufig an Todesfällen beteiligt sind, bei denen auch andere Drogen, einschließlich Opioide, nachgewiesen werden.
Es gibt zunehmend Bedenken, dass hochpotente synthetische Opioide eine erhebliche Bedrohung für die öffentliche Gesundheit darstellen.
Todesfälle im Zusammenhang mit dem Konsum von Opioiden sind in Europa ein wichtiges Problem für die öffentliche Gesundheit, entsprechen jedoch derzeit nur einem Bruchteil der in Nordamerika gemeldeten Todesfälle im Zusammenhang mit dieser Klasse von Drogen. Sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Kanada herrscht derzeit eine gesundheitliche Notlage, die von synthetischen Opioiden, in erster Linie Fentanylderivaten, ausgelöst wurde. Die Situation in Europa unterscheidet sich hiervon stark. Obwohl eine gewisse Untererfassung wahrscheinlich ist, wurden Fentanylderivate im Jahr 2022 nur mit 163 Todesfällen in Verbindung gebracht. Diese Todesfälle schließen auch Todesfälle ein, die mit Fentanyl in Verbindung gebracht werden, das im Rahmen der medizinischen Anwendung abgezweigt und nicht vom illegalen Markt beschafft wurde.
Trotz dieses Größenunterschieds wächst die Sorge, dass hochpotente synthetische Opioide zunehmend auf dem europäischen Drogenmarkt auftauchen und Schaden anrichten. Auch wenn der nordamerikanische Kontext ein anderer ist, so ist er doch ein Warnsignal dafür, wie schnell sich Trends beim Opioidkonsum entwickeln können, mit dramatischen Folgen für die öffentliche Gesundheit. Daher ist es besorgniserregend, dass seit 2009 81 neue synthetische Opioide an das EU-Frühwarnsystem gemeldet wurden, davon 7 im Jahr 2023. Sechs davon waren hochpotente Nitazen-Opioide. Nitazene wurden der EMCDDA erstmals um 2019 gemeldet. Seitdem wurden in Europa 16 Nitazene identifiziert, wobei die meisten Länder eine dieser Substanzen in ihrem Hoheitsgebiet entdeckt haben.
Auftreten von Nitazen-Opioiden, die in einigen Ländern bereits mit Schäden in Verbindung gebracht wurden
Nitazene werden in Zubereitungen verkauft, die Straßenheroin ähneln, oder online als „synthetisches Heroin“ gehandelt, und sind auch in Tabletten in Erscheinung getreten, die fälschlicherweise als medizinische Opioide oder andere Arzneimittel verkauft wurden. Es gibt auch Berichte über Mischungen zum Rauchen, die mit Nitazen versetzt wurden. Diese Drogen wurden 2023 mit einem Anstieg der drogenbedingten Todesfälle in Estland und Lettland in Verbindung gebracht, wo sie nun für einen erheblichen Anteil der Todesfälle durch Überdosierung verantwortlich sind. Im Jahr 2023 wurden auch in Irland und Frankreich örtlich begrenzte Häufungen von Vergiftungen gemeldet. In Irland wurden Nitazene fälschlicherweise als Heroin verkauft. was zu mehreren Überdosierungen führte, und im Jahr 2024 wurden sie auch mit Überdosierungen in zwei Gefängnissen in Verbindung gebracht. Außerhalb der Europäischen Union wurden Nitazene mit Drogenüberdosierungen in Australien, Nordamerika und dem Vereinigten Königreich in Verbindung gebracht. Diese Drogen spielen derzeit in den auf EU-Ebene verfügbaren Routinedaten keine zentrale Rolle. Aufgrund ihrer hohen Wirkstärke und Neuartigkeit bestehen jedoch Bedenken, dass Nitazen-Opioide möglicherweise in Verfahren, die üblicherweise für die Post-mortem-Toxikologie verwendet werden, nicht routinemäßig nachweisbar sind. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Zahl der Todesfälle oder nicht tödlichen Vergiftungen, die diesen Substanzen zugeschrieben werden, unterschätzt werden könnte.
Diese Entwicklungen finden vor dem Hintergrund anderer neuerer Anzeichen für besorgniserregende Veränderungen auf dem Opioidmarkt in Europa statt. Dazu gehören das Aufkommen von „Tranq-Dope“ im Jahr 2021, bei dem synthetische Opioide mit dem tierischen Beruhigungs- und Schmerzmittel Xylazin gemischt werden, und „Benzo-Dope“ im Jahr 2022, bei dem synthetische Opioide mit neuen Benzodiazepinen (wie Bromazolam) gemischt werden. Solche Mischungen sind in Teilen Nordamerikas weit verbreitet, wo sie mit einer Reihe von gesundheitlichen Problemen in Verbindung gebracht wurden.
Neue Herausforderungen für Politik, Praxis und Forschung
Das Aufkommen neuartiger und hochpotenter synthetischer Opioide stellt die Drogenpolitik und -praxis vor neue Herausforderungen. Außerdem kristallisieren sich wichtige Wissenslücken heraus, die im Rahmen der Forschung eingehend beleuchtet werden müssen. Viele dieser Substanzen unterliegen zum Zeitpunkt Ihrer Erscheinung keiner Drogenkontrolle. In dieser Hinsicht ist Europa in der glücklichen Lage, mit seinem Frühwarnsystem ein Schnellverfahren zur Identifizierung, Risikobewertung und Kontrolle von Drogen eingeführt zu haben. Es ist jedoch wichtig, dass die Mitgliedstaaten diesen Mechanismus durch geeignete nationale Maßnahmen unterstützen. Derzeit scheinen die meisten neuen synthetischen Opioide aus asiatischen Ländern geliefert zu werden. Daher dürfte es wichtig sein, diesen Sachverhalt auf multilateraler Ebene nachzuverfolgen. Es ist bekannt, dass ein Teil der Fentanylderivate in Europa hergestellt wird, bislang jedoch in begrenztem Umfang. Die technischen Hindernisse bei der Herstellung dieser Substanzen sind jedoch relativ gering, weshalb unbedingt zu prüfen ist, welche wirksamen Maßnahmen ergriffen werden können, um die Möglichkeit einer groß angelegten Herstellung dieser Drogen in der Europäischen Union zu verhindern.
Die jüngsten Erfahrungen in der Europäischen Union haben gezeigt, wie das plötzliche Auftreten potenter synthetischer Opioide innerhalb kurzer Zeit zu zahlreichen Vergiftungsfällen führen kann, die das Potenzial haben, die lokalen Einrichtungen der Drogenhilfe zu überfordern. Die Widerstandsfähigkeit in diesem Bereich kann erhöht werden, indem ein behördenübergreifender Schnellreaktionsplan eingerichtet wird, der eine wirksame Risikokommunikationskomponente umfasst, um sowohl gefährdete Personen als auch an vorderster Fron tätige Einrichtungen der Drogenhilfe zu warnen. Darüber hinaus muss das Maßnahmenspektrum in diesem Bereich erweitert werden, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass diese Substanzen als andere oder in Mischungen mit anderen Substanzen verkauft werden und die Gefahr sich nicht unbedingt auf Bevölkerungsgruppen beschränkt, die in der Vergangenheit Opioide konsumiert haben. Die Fähigkeit, das Vorhandensein hochpotenter Opioide auf lokalen Drogenmärkten rasch zu erkennen, wird ebenfalls von Bedeutung sein. Eine wichtige Voraussetzung der Maßnahmen in diesem Bereich ist es, sicherzustellen, dass das an vorderster Front tätige Personal, wie z. B. Polizei, Rettungsdienst und niedrigschwellige Dienste, ausreichend mit dem Opioid-Antagonisten Naloxon versorgt sind, und dafür zu sorgen, dass dieses Personal in der Lage ist, dieses Medikament im Bedarfsfall zu verabreichen. Schließlich beruht unser Wissen darüber, was wirksame Maßnahmen gegen Opioidprobleme sind, weitgehend auf unseren historischen Erfahrungen mit der Reaktion auf Heroinprobleme in Europa. Es sind daher dringend Forschungsanstrengungen erforderlich, um zu beurteilen, inwieweit unsere derzeitigen Maßnahmen angepasst werden müssen, damit diese im Zusammenhang mit der Verfügbarkeit neuartiger und hochpotenter Opioide weiterhin ihren Zweck erfüllen können, insbesondere wenn diese Substanzen in Mischungen mit anderen Arzneimitteln wie Xylazin vorkommen.
Könnte ein Rückgang der Verfügbarkeit von Heroin zu einem größeren Markt für synthetische Opioide führen?
Im April 2022 kündigten die Taliban ein Verbot des Anbaus von Schlafmohn an. Ein ähnliches, wenn auch kurzlebiges Verbot im Jahr 2001 hatte zur Folge, dass Ersatzsubstanzen, darunter Stimulanzien und synthetische Opioide, auf den europäischen Markt gelangten. Diese Veränderungen waren in den meisten Ländern nur von kurzer Dauer, aber in einigen wenigen Ländern wurde ein langfristiger Wandel auf dem Opioidmarkt beobachtet. Da Afghanistan die Hauptquelle für das in Europa konsumierte Heroin ist, hat das jüngste Opiumverbot zu Spekulationen geführt, dass es in Zukunft zu einer Heroinknappheit kommen könnte, was möglicherweise ein erhöhtes Angebot an synthetischen Opioiden und einen Anstieg von deren Konsum in Europa zur Folge hat.
Das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) schätzt, dass die Opiumproduktion im Jahr 2023 um 95 % zurückgegangen ist. Obwohl in diesem Bereich erhebliche Unsicherheit besteht, deuten die vorliegenden Daten darauf hin, dass in Afghanistan nach wie vor erhebliche Opiumvorräte vorhanden sind. Dies könnte unter anderem erklären, warum wir keine Hinweise auf eine Unterbrechung der Heroinströme in die Europäische Union beobachtet haben. Als Reaktion auf einen gemeldeten Anstieg der Opiumpreise in Afghanistan könnten jedoch einige Marktanpassungen erfolgt sein. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts lässt sich noch nicht sagen, ob das derzeitige Verbot der Opiumproduktion langfristig aufrechterhalten wird. Dennoch wäre es ratsam, sich auf einen möglichen Heroinmangel Ende 2024 oder 2025 vorzubereiten. So würde eine unmittelbare Maßnahme darin bestehen, sicherzustellen, dass für diejenigen, die Hilfe beim Umgang mit ihrem Opioidkonsum suchen, ausreichende Anlaufstellen zur Drogenbehandlung zur Verfügung stehen. Es wäre auch wichtig, genau zu beobachten, ob sich die Veränderungen beim Heroinangebot auf die Verfügbarkeit oder den Konsum anderer Substanzen auswirken. Zu den zu berücksichtigenden Substanzen zählen potente synthetische Opioide, aber auch etabliertere Substanzen wie Stimulanzien.
Könnte Myanmar Afghanistan als Heroinlieferant für Europa ablösen?
Myanmar ist traditionell eine wichtige Quelle für Opium und Heroin, auch wenn dies im Allgemeinen nicht für die europäischen Märkte zutrifft. Es wird vermutet, dass Heroin aus Myanmar in verschiedene Länder Asiens und Ozeaniens geschmuggelt wird. Nach einer Phase des Rückgangs wurde in den letzten 3 Jahren über einen Anstieg des Opiumanbaus berichtet. Das UNODC schätzt, dass Myanmar im Jahr 2023 1 080 Tonnen Opium produziert hat; dies entspricht einem Anstieg von 36 % gegenüber 2022, ist aber immer noch deutlich weniger als die in den letzten Jahren in Afghanistan produzierten Mengen. In Anbetracht des potenziellen Wertes dieser Nutzpflanze, wenn diese zu Heroin verarbeitet wird, und der zunehmenden Handelsströme auf dem Seeweg zwischen Südostasien und Europa besteht das potenzielle Risiko, dass ein Teil davon umgeleitet wird, um in Zukunft profitable Märkte in Europa zu bedienen. Es ist daher gerechtfertigt, jedes Auftauchen von Heroin aus dieser Region zu überwachen, bleibt aber angesichts der Sicherheitslage in Myanmar, das seit 2021 in einen Bürgerkrieg verwickelt ist, schwierig. Kurz- bis mittelfristig scheint es jedoch unwahrscheinlich, dass das in dieser Region hergestellte Heroin die bisher aus Afghanistan an den europäischen Markt gelieferten Mengen ersetzen kann.
Auf einen Blick
Quelldaten
Die Daten, die zur Generierung von Infografiken und Diagrammen auf dieser Seite verwendet wurden, sind nachstehend aufgeführt.
Altersgruppe | Substanz | Konsum im letzten Jahr (Millionen) | Konsum im letzten Jahr (%) | Niedrigste nationale Schätzung (%) | Höchste nationale Schätzung (%) | Lebenszeitkonsum (Millionen) | Lebenszeitkonsum (%) |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Erwachsene (15–64) | Amphetamine | 2.3 | 0.8 | 10.3 | 3.6 | ||
Junge Erwachsene (15–34) | Amphetamine | 1.5 | 1.5 | 0 | 4 | ||
Erwachsene (15–64) | Cannabis | 22.8 | 8 | 85.4 | 29.9 | ||
Junge Erwachsene (15–34) | Cannabis | 15.1 | 15 | 3.4 | 21.5 | ||
Erwachsene (15–64) | Kokain | 4 | 1.4 | 15.4 | 5.4 | ||
Junge Erwachsene (15–34) | Kokain | 2.5 | 2.5 | 0.5 | 5.5 | ||
Erwachsene (15–64) | MDMA | 2.9 | 1 | 12.3 | 4.3 | ||
Junge Erwachsene (15–34) | MDMA | 2.2 | 2.2 | 0.3 | 9.8 |
charakteristisch | Wert |
---|---|
Hochrisiko-Opioidkonsumierende | 860 000 |
Behandlung mit Opioid-Agonisten (Anzahl der Personen, die diese Behandlung erhalten) | 513 000 |
Opioide: Anteil der drogenbedingten Behandlungsnachfragen (%) | 24 |
Andere Drogen: Anteil der drogenbedingten Behandlungsnachfragen (%) | 76 |
Opioide: Anteil der tödlichen Überdosierungen (%) | 74 |
Andere Drogen: Anteil der tödlichen Überdosierungen (%) | 26 |